Kinderärztliche Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern: Versorgung unter erschwerten Bedingungen gestalten

Mecklenburg-Vorpommern hat derzeit bundesweit die zweithöchste Bettendichte in der Kinderheilkunde und überdurchschnittlich viele niedergelassene Kinderärzte. Rückläufige Kinderzahlen und fehlender Medizinernachwuchs sind große Herausforderungen, um auch zukünftig einen patientennahen Zugang zur kinderärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Dies erfordert regional angepasste Maßnahmen. Das zeigt ein Gutachten des IGES Instituts im Auftrag des Sozialministeriums in Schwerin.

Berlin, 13. April 2015 (IGES Institut) - Aktuell leben in Mecklenburg-Vorpommern rund 190.000 Kinder unter 15 Jahren. Davon wächst jedes Fünfte in den Städten Schwerin und Rostock auf. Bis 2030 wird ihre Zahl durchschnittlich um zehn Prozent auf etwa 170.000 weiter kräftig sinken. Auf dem Land schrumpft die Kinderzahl aber deutlich stärker.

Dies macht es den derzeit 16 existierenden Krankenhäusern mit vorrangig sehr kleinen Kinderstationen künftig immer schwerer, entsprechende Abteilungen betriebswirtschaftlich aufrecht zu erhalten, heißt es in der wissenschaftlichen Untersuchung „Kinder- und Jugendmedizin in Mecklenburg-Vorpommern“. Das Bundesland weist mit 97 Prozent den deutschlandweit höchsten Anteil an Krankenhäusern im ländlichen Raum auf. Immer geringere Patientenzahlen machen es außerdem zunehmend schwieriger, Qualitätsanforderungen sowie den Facharztstandard zu gewähren, was die Häuser wiederum für medizinischen Nachwuchs unattraktiver macht.

Kliniken übernehmen ambulante Versorgung mit

Dabei ergänzen die Kliniken derzeit noch die ambulante Versorgung in dem nördlichen Bundesland. In der Altersgruppe bis 15 Jahren zeigt sich eine im bundesweiten Vergleich überdurchschnittliche Anzahl der Krankenhausfälle. Das deutet auf eine Betreuung normalerweise ambulant behandelbarer Kinder hin. Zudem werden in Mecklenburg-Vorpommern rund 17.000 Kinder und Jugendliche im Jahr durch die Krankenhäuser ohne ärztliche Einweisung stationär aufgenommen.

Kinderärzte sind ungleichmäßig verteilt

Zwar verfügt Mecklenburg-Vorpommern mit 55 Ärzten je 100.000 Einwohnern unter 18 Jahren über überdurchschnittlich viele ambulant tätige Kinderärzte. Der bundesweite Durchschnitt liegt lediglich bei knapp 44 Kinderärzten je 100.000 Einwohnern. Allerdings sind die derzeit 164 niedergelassenen Kinder- und Jugendmediziner regional teilweise sehr ungleichmäßig verteilt. So entfällt etwa ein Drittel der Arztsitze auf die Städte Rostock und Schwerin, obwohl dort nur 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahre leben. In der Region zwischen Greifwald, Neubrandenburg, Anklam und Demmin müssen Familien hingegen bis zu 70 Kilometer bis zum nächsten Pädiater fahren.

Jeder fünfte Kinderarzt ist älter als 60 Jahre

Allein auf Basis der üblichen Kennziffern – dem hohen gemessenen Versorgungsgrad und der Bettendichte – sind Aussagen über Zugang zur kinderärztlichen Versorgung nur beschränkt möglich. Die regionale Verteilung der Kinderarztpraxen in der Planung berücksichtigt wesentliche bedarfsbestimmende Einflüsse nicht. Und sie orientiert sich – im Unterschied zu den Hausärzten – an großräumigen Planungsbereichen, sie begünstigt also eine geringere Wohnortnähe. Zudem zeichnet sich ein Nachwuchsproblem ab: Jeder fünfte praktizierende Kinderarzt ist älter als 60 Jahre. Aufgrund des überwiegend ländlichen Charakters des Bundeslandes ist es für sie jedoch schwierig, Nachfolger zu finden.

Experten schlagen verschiedene Lösungen vor

Um auch künftig eine flächendeckende, kinderärztliche Versorgung zu sichern, schlagen die IGES-Experten verschiedene Lösungsansätze vor. So ist unter anderem die sektorenübergreifende Planung zu stärken. Zudem könnte ein für Familien leicht zugängliches, ausdifferenziertes und zentrales Zuweisungssystem helfen, die knapper werdenden medizinischen Ressourcen besser zu nutzen.

Neue Mobilitätsangebote etablieren

Eine Zentralisierung sowohl ambulanter als auch stationärer Angebote erhöht deren Wirtschaftlichkeit, sollte jedoch mit neuen Mobilitätsangeboten wie etwa Rufbussen oder Familientaxis oder Hausbesuchen nichtärztlichen Personals einhergehen. Die Delegation ärztlicher Leistungen – bislang vorrangig im hausärztlichen Bereich üblich – stellt eine weitere Option dar, das Versorgungsangebot zu stärken. Planbare Untersuchungen wie Vorsorgeuntersuchungen könnten durch einen gestärkten öffentlichen Gesundheitsdienst übernommen werden.

Alternative Praxisformen fördern

Um Wünschen jungen Ärzte nach flexibleren Tätigkeitsmöglichkeiten entgegenzukommen, könnten mehr alternative Praxisformen wie Medizinische Versorgungszentren (MVZ), auch in kommunaler Trägerschaft, oder Filialpraxen etabliert werden. Zudem sollten niedergelassenen Pädiatern die gleichen finanziellen Förderinstrumente, etwa Preiszuschläge, offen stehen, wie derzeit in der hausärztlichen Versorgung üblich. Wirtschaftliche Unterstützung beispielsweise durch Sicherstellungszuschläge, wäre zudem eine flankierende Maßnahme, um Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung zu beteiligen.

„Keiner dieser Lösungsansätze ist kostenlos und allein ausreichend“, schreiben die Autoren der Untersuchung. „Unterschiedliche Ansätze sollten daher simultan verfolgt werden.“