Trotz geöffneter Praxen gleich ins Krankenhaus

Millionen von Krankenhausbehandlungen könnten entfallen, wenn die ambulante Versorgung konsequenter erfolgt. So kommt es jährlich zu 1,765 Millionen Krankenhausfällen, weil Patienten mit prinzipiell ambulant behandelbaren Erkrankungen werktags in eine Klinik aufgenommen werden, obwohl Arztpraxen regulär geöffnet sind.

Berlin, 22. Juli 2016 (IGES Institut) - Das zeigen Analysen des IGES Instituts im Auftrag des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Dabei geht es um Diagnosen, bei denen Krankenhausaufenthalte durch eine effektive und rechtzeitige ambulante Versorgung verhindert werden können. Experten sprechen von ambulant-sensitiven Krankenhausfällen (ASK-Fälle).

Insgesamt gab es 2013 rund 3,453 Millionen dieser vermeidbaren Krankenhausfälle. Mehr als die Hälfte - 1,765 Millionen – entstehen während der regulären Praxisöffnungszeiten.

Viele Patienten suchen dabei das Krankenhaus auf Eigeninitiative auf ohne vorher bei einem Arzt vorstellig zu werden. Sie werden dann als Notfall aufgenommen, was im Jahr 2013 rund 1,8 Millionen Mal vorkam. Für die Krankenversicherungen entstanden hierdurch Kosten in einer Größenordnung von 4,8 Milliarden Euro. Die häufigsten Gründe für diese vermeidbaren Notfallbehandlungen waren Bluthochdruck (Hypertonie) bzw. hypertensive Herzkrankheit mit und ohne Herzinsuffizienz (rund 25 Prozent) sowie Lungenentzündung (rund zehn Prozent).

Beträchtliches ambulantes Potenzial in der Notfallversorgung

Notaufnahmen hatten zwar außerhalb der Sprechstundenzeiten, etwa am späten Abend, nachts oder am Wochenende, erwartungsgemäß einen besonders hohen Anteil. Sie machten bis zu 90 Prozent der vermeidbaren Krankenhausfälle zu diesen Randzeiten aus. Da es aber tagsüber während der Praxisöffnungszeiten generell mehr vermeidbare Krankenhausfälle gab, kam es unter dem Strich auch zu diesen Sprechstundenzeiten zu ähnlich vielen Notfallaufnahmen von jeweils rund 650.000 Fällen.

Die IGES-Forscher untersuchten auch regionale Unterschiede: So kamen vermeidbare Krankenhausaufnahmen generell, also mit und ohne ärztliche Einweisung, während der Praxisöffnungszeiten im Ruhrgebiet und in ländlichen Regionen mit überwiegend geringeren Arztdichten relativ häufiger vor als in Großstädten. Der Anteil der Notfälle an den vermeidbaren Krankenhausaufnahmen war jedoch in den Großstadtregionen am größten und im Ruhrgebiet am geringsten.

Heterogene Situation auf Kreisebene spricht für regionale Lösungen

Auf Kreisebene schwanken die Häufigkeiten vermeidbarer Krankenhausfälle sowie die Notfallanteile sehr. So streuen die Anteile vermeidbarer Notfälle mittwochs zwischen 12.00 und 14.00 Uhr auf Kreisebene zwischen 12 und 66 Prozent. Diese Unterschiede sprechen dafür, so die Autoren, individuelle regionale Lösungen zu suchen, um ASK-Fälle zu vermeiden und den Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu realisieren.

Die Studie „Ambulantes Potenzial in der stationären Notfallversorgung“ erfolgte in zwei Phasen. In einem ersten Teil untersuchten die IGES-Forscher zunächst mit aggregierten Daten des Statistischen Bundesamtes Fallzahlen und regionale Häufigkeiten von vermeidbaren Krankenhausfällen. In dem nun vorgestellten zweiten Teil wurden die stationären Notfälle mit zusätzlichen Diagnosen vertiefend analysiert, etwa nach ihrer zeitlichen Verteilung. Basis sind Krankenhausdaten (DRG-Statistik) des Forschungsdatenzentrums des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2013.