Gutachten: Fragen der Finanzierung mobilen Lebens

Das IGES Institut und die TU Berlin haben ein Gutachten über die Pläne zur Finanzierung der Bahn erstellt. Darin attestieren Wissenschaftler der Leistungs- und Finanzierungs-vereinbarung (LuFV) gravierende Mängel. Eine der offenen Flanken: Die Interessen der Verkehrsunternehmen, Länder und Fahrgäste werden nur unzureichend berücksichtigt.

Berlin, 03. November 2008 (IGES Institut) - Die Bahnlandschaft ist im Umbruch. Die Deutsche Bahn AG wird zu einer Doppel-Holding umgebaut, um eine Teilprivatisierung der Verkehrs- und Logistikbereiche vorzubereiten und den übrigen Konzern mit den Infrastrukturbereichen vollständig in der Hand des Bundes zu belassen.

Gleichzeitig sollen die Konditionen für den Finanzierungsbeitrag, den der Bund für den Erhalt der Eisenbahninfrastruktur zahlt, neu geregelt werden. Dazu will der Bund eine langfristige "Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung", kurz LuFV genannt, beschließen: Die Netz- und Stations-Töchter der Deutschen Bahn (DB) sollen pro Jahr 2,5 Milliarden Euro erhalten, dafür müssen sie Schienennetz und Bahnhöfe in Schuss halten. Dies wird an bestimmten Qualitätskriterien gemessen.

Die Wissenschaftler des IGES Instituts und der TU Berlin kritisieren jedoch, dass die Qualitätskriterien des LuFV-Entwurfs nicht ausreichen, um den Erhalt der Infrastruktur zu sichern. Qualitätsstandards zum Erhaltungszustand von Bahnhofsgebäuden existieren nicht. Es ist auch nicht geregelt, was die Bahn ihren Fahrgästen in punkto Sicherheit, Sauberkeit und Information bieten muss. Am Ende, so fürchten die Wissenschaftler, haben die Bahnkunden das Nachsehen. Die LuFV erfasst auch den Zustand des Streckennetzes, der Tunnel und Brücken nur unzureichend. Insbesondere die regionalen Netze in den Bundesländern können systematisch vernachlässigt werden. Marode Schienen aber lassen die Züge nicht nur langsamer fahren - mit jeder Zugverspätung, mit jedem heruntergekommenen Bahnhof wird der öffentliche Nahverkehr automatisch unattraktiver.

Das Gutachten stellt fest, dass die derzeitige gesetzliche Grundlage der Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur in vielerlei Hinsicht veraltet ist und angepasst werden sollte. Ein Beispiel: Bislang erlaubt das Gesetz der Bahn, Steuergelder lediglich für Neu-Investitionen in das Schienennetz auszugeben, nicht aber für dessen Instandhaltung. Dies könnte jedoch die paradoxe Folge haben, das die Bahn künftig darauf verzichtet, eine kaputte Weiche zu reparieren und sie stattdessen einfach austauscht, weil die Neuanschaffung dann aus Bundesmitteln bezahlt werden könnte.

Werden Steuergelder falsch eingesetzt?

Die Autoren der Studie sehen die LuFV im Kontext der Gesamtfinanzierung der Eisenbahninfrastruktur. Diese besteht aus den staatliche LuFV-Mitteln und den Zugangsentgelten: Trassenpreise und Stationsentgelte. Eigentlich sollen die LuFV-Mittel dafür sorgen, dass die Zugangsentgelte reduziert werden. Denn je mehr Geld der Staat zur Verfügung stellt, desto weniger muss den Nutzern der Infrastruktur, also den Verkehrsunternehmen, abverlangt werden um die Kosten der Infrastruktur zu decken. Aber wer sorgt dafür, dass die Zugangsentgelte nicht trotzdem erhöht werden?

Dafür sollte die Regulierung durch die Bundesnetzagentur sorgen. Die derzeitige Gesetzeslage lässt jedoch nur eine ineffektive Form der Entgeltregulierung zu. So stehen der Bundesnetzagentur viel zu wenig Daten zur Verfügung. Vor allem müsste die Behörde die Möglichkeiten erhalten, die Angemessenheit der Trassenpreise zu kontrollieren, derzeit kann sie das nicht. Deshalb fordern die IGES Wissenschaftler, parallel zur LFV eine sogenannte Anreizregulierung durchzusetzen, wie es sie etwa in der Energiewirtschaft gibt. So könnten die Netzentgelte effektiv reguliert werden und die LuFV könnte ihre eigentliche Aufgabe erfüllen.

In Auftrag gegeben wurde das bahnpolitische Gutachten über "Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und DB AG und ihre Beziehung zur Anreizregulierung" vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium des Landes Hessen.