Studie zeigt Wege für besseren Lärmschutz im Schienengüterverkehr

Die Lärmbelastung durch Schienengüterverkehr liegt nachts vielerorts weit über den Grenzwerten für Neubaustrecken. Die wichtigste Maßnahme dagegen ist der bis 2020 angestrebte Austausch von alten GG-Bremssohlen. Doch dies wird Experten zufolge nicht ausreichen. Weitergehende technische Veränderungen an Wagen, Lokomotiven und Gleisen sind notwendig. So sollten Neuwagen mit Scheibenbremsen ausgestattet werden. Als steuernde Regelung sollte das lärmabhängige Trassenpreissystem ausgebaut werden und zur Erfolgskontrolle ein unabhängiges Lärmmonitoring-System etabliert werden.

Titel der Studie: Strategien zur effektiven Minderung des Schienengüterverkehrslärms

Hintergrund: Immer mehr Menschen belastet der Schienengüterverkehrslärm. Dieses erhebliche Umweltproblem wird sich verschärfen, weil der Eisenbahngüterverkehr prognostisch weiter zunehmen wird. Selbst der Austausch des Lärmverursachers Nr. 1, alter GG Bremssohlen, der wie politisch angestrebt bis Ende 2020 erfolgen soll, reicht nicht aus, um etablierte Lärmgrenzwerte zu erreichen.

Fragestellung: Wie kann über die Beseitigung von GG-Bremssohlen hinaus der Schienengüterverkehrslärm weiter gesenkt werden?

Auftraggeber: Umweltbundesamt im Rahmen des Umweltforschungsplans des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

Methode: Recherche und Bewertung von Einzelmaßnahmen zur Verringerung des Schienengüterverkehrslärms nach ihrer Wirksamkeit und nach Kosten pro Dezibel Lärmminderung mit Hilfe eines vereinfachten Konzepts der Life Cycle Costs (LCC). Konzeptionelle Ausarbeitung eines Lärm-Monitorings. Wirtschaftliche und rechtliche Diskussion politischer Instrumente sowie abschließende Expertenempfehlungen.

Ergebnisse: Zwei Typen von technischen Maßnahmen haben das größte Lärmminderungspotenzial: diverse, kleinere Umrüstungen vor allem am Wagenaltbestand sowie die Ausstattung von Neuwagen mit Scheibenbremsen und lärmoptierten Rädern, z.B. Räder mit geradem Steg. Zur Förderung dieser Maßnahmen ist ein reformiertes und gestärktes, aber unsubventioniertes lärmabhängiges Trassenpreissystem nötig.

Berlin, 13. März 2017 (IGES Institut) - Schienenlärm ist ein erhebliches Umweltproblem. Der für Neubaustrecken geltende nächtliche Grenzwert von 49 Dezibel dB(A) wird immer noch vor allem an Hauptstrecken wie im Rheintal um bis zu 25 Dezibel überschritten. Hauptlärmauslöser sind raue Räder, die durch das Bremsen vor allem mit alten GG-Bremssohlen entstehen. Aber auch Schienenrauheiten, schadhafte Stellen an Rad und Schienen sowie Wagen- und Fahrgeräusche erzeugen Lärm.

Weitere Halbierung des Schienenlärms nötig

Derzeit werden von Politik und Branche bedeutende Anstrengungen unternommen, um die GG-Sohlen durch neuere Verbundstoffbremssohlen an Eisenbahngüterwagen zu ersetzen und damit den Lärm um bis zu 10 Dezibel zu reduzieren. Dies entspricht einer Halbierung des Lärms. Doch auch danach wird es weiteren substanziellen Bedarf für Lärmminderungen geben, teils um weitere zehn bis 15 Dezibel, also eine weitere Halbierung.

Für die Phase nach der Beseitigung der GG-Sohlen haben Experten des IGES Instituts in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Technischen Universität Berlin, der IVE Ingenieurgesellschaft für Verkehrs- und Eisenbahnwesen und mit Prof. Dr. jur. Eckhard Pache (Universität Würzburg) im Auftrag des Umweltbundesamtes einen technischen und politischen Maßnahmenkatalog zur weiteren Lärmminderung erarbeitet. Im Fokus der Studie stehen Veränderungen an alten und neu anzuschaffenden Wagen.

Umrüstungen von Altwagen bei Revisionsterminen, Scheibenbremsen bei Neuwagen

So sollten zum einen bei Wagen des Altbestandes mehrere kleine Umgestaltungen mit moderater Lärmreduktion erfolgen. Diese könnten geschickt eingebunden kostengünstig bei den üblichen Instandhaltungen (große Revision) geschehen. Dazu gehören lärmmindernde Beschichtungen, Kunststoffbuchsen im Bremsgestänge sowie das systematische Beseitigen von schlagenden Flachstellen an Rädern. Neuwagen sollten hingegen mit Scheibenbremsen und lärmoptimierten Rädern standardmäßig ausgestattet werden, etwa Räder mit geradem Steg, die zudem auch billiger als herkömmliche sind. Den Berechnungen zufolge sind Scheibenbremsen bei Laufleistungen von jährlich mehr als 70.000 Kilometer sogar rein betriebswirtschaftlich sinnvoll.

Wirksames und budgetneutrales Anreizsystem schaffen

Als politisches Mittel der Wahl, um Umrüstungen zu fördern, empfehlen die Experten, das seit 2012 bestehende lärmabhängige Trassenpreissystem (laTPS) zu verstetigen und zu stärken. Damit das Anreizsystem finanziell machbar bleibt, muss es langfristig unsubventioniert sein und sich selbst tragen. Es kann zeitweise auch durch Wagenhalterboni ergänzt werden. Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Nachtfahrverbote als steuernde Maßnahmen seien dann nicht mehr nötig.

Unabhängiges Monitoring-System geschickt über das Eisenbahnnetz verteilen

Um den Bedürfnissen der Menschen nach hochwertiger Information über Fortschritte beim Lärmschutz gerecht zu werden, raten die Studienautoren, nach Schweizer Vorbild ein unabhängiges Lärmmonitoring-System aufzubauen. Bundesweit 15 Messstellen könnten dafür ausreichen. Die geschätzten Kosten dafür wären mit rund vier Millionen Euro für die Errichtung und weiteren jährlichen 1,5 Millionen Euro für den Betrieb finanziell überschaubar, so die Experten.