Häussler: „Eigenverantwortung darf sich nicht nur in Zuzahlungen und Selbstbeteiligung erschöpfen“

In der Debatte um Kostendämpfung im Gesundheitswesen plädiert der IGES-Leiter Professor Bertram Häussler für einen neuen Blick auf das Prinzip Eigenverantwortung. Eigenverantwortung dürfe sich nicht nur in Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen erschöpfen, sagt er im Gespräch mit der Ärzte-Zeitung. Vielmehr müsse Eigenverantwortung mit Wahlmöglichkeiten für Versicherte einher gehen. Hierbei komme Managed-Care-Strukturen eine zentrale Rolle zu.

Berlin, 21. August 2025 (IGES Institut) – „Ich würde der Politik davon abraten, zwecks Kostendämpfung auf Eigenbeteiligungen beispielsweise in Form einer „Praxisgebühr 2.0“ zu setzen“, so Professor Häussler in dem Interview. Stattdessen sieht der Gesundheitsexperte große Zustimmung unter Fachleuten für die Idee von Wahltarifen, die mit einer gewissen Bindungsfrist für die Versicherten einhergehen sollten. Der kassenindividuelle Zusatzbeitrag müsse dabei Teil eines solchen Reformpakets sein.

Potenziale eines Primärarztsystems

Mit Blick auf die Debatte um ein verbindliches Primärarztsystem äußert sich der IGES-Leiter skeptisch gegenüber dem bestehenden Hausarztsystem als Träger eines solchen Systems. „Ich hielte es für sehr problematisch, das untermodernisierte Hausarztsystem zum Träger eines Primärarztsystems zu machen", meint Professor Häussler.

Stattdessen plädiert er für einen kommerziellen Ansatz durch Managed-Care-Unternehmen, die eine notwendige Struktur im Backoffice der Ärztinnen und Ärzte aufbauen könnten. Diese sollten das erforderliche Versorgungsmanagement ermöglichen und für die nötige digitale Infrastruktur sorgen. Als Vorbild nennt er das Schweizer Unternehmen Medgate, das dort bereits als Partner der Krankenkassen fungiert.

Patienten im Gesundheitswesen begleiten

Eine Reform, die Krankenkassen in Deutschland die Möglichkeit für Wahltarife eröffnet, könnte für solche Unternehmen einen Schub bedeuten. Die Versicherten könnten dann selbst entscheiden, ob sie sich weiterhin in einem System mit unbeschränktem Direktzugang zu Ärzten bewegen oder ein hybrides Gesundheitssystem mit digitaler Erstanlaufstelle bevorzugen. „Es geht darum, den Patienten auf seinem Weg durch das Gesundheitssystem zu begleiten und zu unterstützen. Die Ärzteschaft allein kann diese Aufgabe nicht wahrnehmen.“

Für den Erfolg solcher Strukturen sei es entscheidend, dass die Politik den Organisationen Investitionssicherheit gewähre. Gleichzeitig müssten Vorkehrungen getroffen werden, um ethisches Fehlverhalten wie Risikoselektion zu verhindern. „Aber dafür ist Deutschland ja ein geübter Sozialstaat", so Professor Häussler.

Ein Revival des Konzepts Eigenverantwortung auf politischer Ebene hält Häussler derzeit für ungewiss, auch wenn man damit auf Expertenebene „in der Regel offene Türen einrennt". Belastend dabei wirke, dass der Begriff Eigenverantwortung „kontaminiert“ sei.

Professor Häussler setzt sich mit Eigenverantwortung im Gesundheitswesen auch in einem neuen Buch auseinander. Darin analysiert er Operationalisierung, Wirksamkeit und Akzeptanz von Eigenverantwortung als Steuerungsinstrument im deutschen Gesundheitswesen. Der Gesundheitsökonom will damit einen Beitrag zu aktuellen Reformdebatten leisten und zeigen, wie Eigenverantwortung heutzutage gestaltet werden sollte.