Erstattungslandschaft und -zugang für Medizinprodukte in der Schweiz
Das Krankenversicherungssystem
In der Schweiz spielen sowohl die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) als auch Privatversicherungen eine zentrale Rolle bei der Finanzierung von medizinischen Leistungen und Produkten.
Das Schweizer Gesundheitssystem basiert auf einem Versicherungspflichtsystem, bei dem alle Bürger eine OKP abschließen müssen. Diese deckt die grundlegenden Versorgungs- bzw. Behandlungskosten ab, darunter auch die Nutzung bestimmter Medizintechnologien, abhängig von deren Anwendungsbedingungen und der medizinischen Notwendigkeit.
Private Zusatzversicherungen bieten Mehrleistungen und ergänzen die OKP. So kann es vorkommen, dass Privatversicherungen bestimmte Hilfsmittel oder erweiterte medizinische Behandlungen übernehmen, die deutlich über das Grundangebot der OKP hinausgehen. Der Umfang der Kostenübernahme durch private Versicherungen hängt stark von den durch die Versicherten gewählten Tarife und Vertragsbedingungen ab.
Versorgungssektoren und Erstattung
In der Schweiz hängt die Frage der Erstattungskonditionen vor allem davon ab, ob der Patient stationär oder ambulant behandelt wird.
Das stationäre Erstattungssystem in der Schweiz basiert auf dem SwissDRG-System (DRG: Diagnosis-related Groups; Fallpauschalensystem). Dieses System basiert auf dem deutschen DRG-System, das wiederum ursprünglich einmal aus Australien übernommen wurde. Die Schweiz führte das DRG-System im Jahr 2012 verpflichtend und landesweit ein, auch wenn finanzielle Details von Kanton zu Kanton und von Spital zu Spital unterschiedlich sind. Die Finanzierung der stationären Versorgung, d.h. der Fallpauschalen, wird dabei zwischen den Krankenkassen (max. 45 %) und den Kantonen (mind. 55 %) aufgeteilt. Die Kategorisierung und Einordnung der Behandlungsfälle in eine DRG erfolgt über Klassifikationssysteme, insbesondere über CHOP (die schweizerische Operationsklassifikation, d.h. ein Prozedurenverschlüsselungssystem) und über die deutsche Modifikation des ICD-10-Diagnosenklassifikationssystems. Bestimmte medizinische Leistungen können zusätzlich über Zusatzentgelte (ZE) abgerechnet werden.
Im ambulanten Versorgungssektor hingegen erfolgt die Abrechnung von (ärztlichen) Leistungen bislang über den TARMED-Tarif, der aktuell reformiert beziehungsweise perspektivisch ab 2026 durch eine Kombination von Einzelleistungstarifen und Pauschalen ersetzt wird. Darüber hinaus gibt es im ambulanten Versorgungsspektrum spezielle Regelungen für bestimmte Leistungen, d.h. für Laboranalysen und Produkte im Homecare-Bereich. Von der OKP erstattete Laboranalysen sind in der sogenannten Analysenliste geführt. Produkte im Homecare-Bereich (im weitesten Sinne Hilfsmittel), sind in der sogenannten Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) definiert.
Zugang für innovative Medizinprodukte
Für den Zugang von Medizinprodukten in den Schweizer Markt ist zunächst eine regulatorische Genehmigung beziehungsweise Kennzeichnung erforderlich. Die Schweiz erkennt dabei eine CE-zertifizierung an und bietet darüber hinaus alternativ die Möglichkeit, ein Schweizer Konformitätskennzeichen (in einem eigenen Verfahren in der Schweiz) zu erlangen. Um Engpässen bei der Versorgung mit Medizinprodukten entgegenzuwirken, hat das Schweizer Parlament 2022 außerdem beschlossen, künftig auch die FDA-Zulassung anzuerkennen.
Mit Blick auf die Erstattung ist sodann zu klären, in welchem Versorgungssektor das Produkt angewandt wird und wie die Erstattungsbedingungen dort aktuell sind (ist die Anwendung des Produkts dokumentierbar, wie ist die derzeitige Erstattungshöhe?).
Im stationären Sektor kann das SwissDRG-System im Laufe mehrerer Jahre durch Vorschläge für zum Beispiel neue CHOP-Codes angepasst werden. Ähnlich wie in anderen Ländern und DRG-Systemen kalkuliert ein Institut die Kosten der Behandlungsfälle und passt so nachfolgend die DRG-Bewertung an. Daneben existiert ein dezidierter Innovationsfinanzierungsprozess, der allerdings nur unter bestimmten Bedingungen zum Tragen kommt und vergleichsweise selten umgesetzt wird.
Für sehr innovative ärztliche Leistungen sowie für innovative Produkte in der OKP, vor allem im ambulanten Sektor und wenn eine neue Listung beispielsweise in der Analysenliste oder der MiGeL benötigt wird, ist ein Health Technology Assessment (HTA) beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) erforderlich. Grundsätzlich erfolgt das Antragsverfahren dabei mehrstufig, zunächst in Form einer Voranalyse und eines Routings, woraufhin der Antragsteller nachfolgend weitere (klinische und ggf. ökonomische) Daten einreicht, bevor eine Bewertung der Daten erfolgt und ein Beschluss zur Erstattung vorgenommen wird.
Als Interimslösung oder Ergänzung des Erstattungsspektrums sollte außerdem evaluiert werden, ob das betreffende Produkt oder die damit zusammenhängende Leistung Gegenstand privater Zusatzversicherungen sein oder werden kann.
In der Schweiz erfordert der Zugang zur Erstattung daher ein gutes Verständnis des Zusammenspiels von Zulassung, Versicherungen und der Finanzierungssysteme.