Palliativ-WG: hilfreiches Angebot für Menschen am Lebensende
Neue Konzepte in der Palliativversorgung könnten Antworten auf bisher ungedeckten Versorgungsbedarf für Menschen am Lebensende bieten. Das zeigt das Konzept einer ambulanten Palliativ-Wohngemeinschaft im ländlichen Raum. Das Angebot soll die Lücke zwischen häuslicher Versorgung und stationärem Hospiz schließen. Bewohner und Angehörige schätzen daran vor allem die stärkere Selbstbestimmung und die häuslich-familiäre Atmosphäre. Für die dauerhafte Etablierung solcher Versorgungsformen sind jedoch angepasste Finanzierungskonzepte und ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen erforderlich.
Berlin, 23. Juni 2025 (IGES Institut) - Das geht aus einer Evaluation der „HospizInsel“ im oberbayerischen Landkreis Mühldorf hervor, die das IGES Institut im Auftrag des Trägers, Anna Hospizverein im Landkreis Mühldorf e. V., vorgenommen hat. Die im Jahr 2018 etablierte ambulant betreute Wohngemeinschaft mit vier Plätzen bietet eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung für Palliativpatienten, die nicht die vollumfängliche Versorgung eines stationären Hospizes benötigen, jedoch im häuslichen Umfeld auch mit spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV) nicht mehr ausreichend versorgt werden können.
Wunsch nach Versterben in häuslicher Umgebung
Ziel ist es, den Menschen in der Sterbephase im Vergleich zur stationären Versorgung mehr Freiraum, Individualität und Selbstbestimmung im Alltag zu ermöglichen sowie eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Und es soll dem unerfüllten Bedürfnis vieler Menschen Rechnung tragen, nicht im Krankenhaus zu versterben. So zeigen vorausgegangene Studien, dass die Mehrheit der Menschen (58 Prozent) zu Hause versterben möchte. Tatsächlich verbringen aber 58 Prozent ihre letzten Tage im Krankenhaus und nur 23 Prozent versterben in den eigenen vier Wänden.
Anders in der HospizInsel: Von den seit 2018 dort versorgten Gästen verstarb die Mehrheit auch dort. Eine Verlegung oder ein Auszug kam nur bei weniger als jedem Zehnten vor (7,7 Prozent).
Die IGES-Untersuchung belegt zudem, dass die HospizInsel ihre Zielgruppe erreicht: 92,3 Prozent der Gäste lebten vor der Aufnahme in der eigenen Häuslichkeit, ein Drittel davon allein. Die vergleichsweise kurze Verweildauer – im Mittel 30 Tage - bestätigt, dass die Gäste bei Aufnahme tatsächlich nur noch wenige Tage bis Wochen zu leben haben.
Auffällig ist auch das Alter der Gäste: 58 Prozent waren jünger als 71 Jahre, was zeigt, dass die HospizInsel entsprechend ihrem Konzept mehrheitlich eine jüngere Zielgruppe versorgt als typischerweise Pflegeheime.
Angehörige fühlen sich aufgehobener
Auch bei den Beschäftigten zeigt sich eine hohe Arbeitszufriedenheit. Bei allen liegt eine sehr hohen bzw. hohe Arbeitszufriedenheit vor (jeweils 50 Prozent). Die Arbeitsbelastung wird von ihnen mehrheitlich (83 Prozent) als angemessen wahrgenommen.
Die Befragung der Angehörigen ergab ebenfalls eine hohe Zufriedenheit mit der Versorgung in der HospizInsel. Alle gaben an, dass das Personal jederzeit ansprechbar war, sich ausreichend Zeit nahm und den Wünschen der Gäste nachkam. Ein Großteil würde die HospizInsel anderen Personen in ähnlicher Situation empfehlen.
Geringere Personalkosten für Pflegekräfte
Das Versorgungsangebot ist auch aus Sicht der Kostenträger wirtschaftlich. So fällt der Tagessatz der HospizInsel deutlich günstiger aus als jener in stationären Hospizen in Bayern. Grund sind vor allem die geringeren Personalkosten, weil weniger Personalvorhaltung in der Nacht oder bei Pflegefachpersonal nötig ist. So ist der Personalbedarf im Vergleich zum stationären Hospiz um ein Drittel reduziert.
Die Evaluation zeigt deutlich, dass das Modell der HospizInsel eine sinnvolle Ergänzung in der Palliativversorgung darstellt, insbesondere in ländlichen Regionen mit einem Mangel an stationären Hospizplätzen. Und sie kommt zu dem Ergebnis, dass das Konzept der HospizInsel grundsätzlich auf andere Regionen übertragbar ist.
Andere Rahmenbedingungen für neue Palliativkonzepte nötig
Für eine breitere Implementierung wären jedoch angepasste Finanzierungskonzepte und ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen erforderlich. Aufgrund der Kostenstruktur ist ein Tagessatz zu empfehlen, wobei Leistungsansprüche gegenüber der sozialen Pflegeversicherung einbezogen werden sollten, raten die Studienautoren.
Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte über einen Zeitraum von 18 Monaten (Mai 2022 bis Oktober 2023). In diesem Zeitraum wurden über 12 Monate Daten zum laufenden Versorgungsgeschehen der HospizInsel und in Vergleichseinrichtungen, erhoben. Weiterhin wurden die bereits seit Mai 2018 durch die HospizInsel selbst erhobenen Daten in die Analyse und Bewertung einbezogen.