Mindestvorgaben für die Personalausstattung in der Psychiatrie und Psychosomatik: Fachkräftemangel macht es schwer

Evaluation der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie

Personalmangel, saisonale Veränderungen des Personalbestands und des Patientenaufkommens sowie Finanzierungsprobleme sind für viele Kliniken die zentralen Gründe, warum sie die Mindestvorgaben für die Personalausstattung in der Psychiatrie und Psychosomatik noch nicht einhalten. Sowohl in der Erwachsenen- als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erreichten im 4. Quartal 2023 nur rund die Hälfte aller Einrichtungen die Vorgaben der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL). Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Versorgungsqualität ist die Entwicklung von Personalintensität und Therapiedichte seit Einführung der PPP-RL insgesamt positiv zu bewerten. IGES-Experten formulieren Empfehlungen zur Weiterentwicklung der PPP-RL.

Berlin, 6. Juli 2025 (IGES Institut) - Das geht aus dem ersten Evaluationsbericht der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) hervor, den das IGES Institut im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Ende Januar 2025 vorgelegt hat. Die Evaluation wird durch IGES nahtlos weiter umgesetzt und erstreckt sich noch bis zum Jahresende 2027.

Die PPP-RL trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Die vorgesehenen Folgen bei Nichteinhaltung der personellen Mindestvorgaben sollen jedoch erst ab 2026 greifen, was die Umsetzung der Richtlinie den IGES-Experten zufolge vermutlich beeinflusst hat.

Im 4. Quartal 2023 konnten 53 Prozent der Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie und 46 Prozent der Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Mindestvorgaben in allen Berufsgruppen einhalten. Auffällig ist, dass der mediane Umsetzungsgrad (PPP-RL) zwischen dem 1. Quartal 2022 und dem 4. Quartal 2023 rückläufig ist.

Personalgewinnung enormes Problem für Psychiatrie und Psychosomatik

Als Hauptgründe für die Nichteinhaltung führen die Kliniken vor allem Schwierigkeiten bei der Gewinnung geeigneten Personals an. Etwa 90 Prozent der Standorte betonen dies. Hinzu kommen saisonale Schwankungen der Personalverfügbarkeit und des Patientenaufkommens sowie Schwierigkeiten, sich in den Budgetverhandlungen auf eine ausreichende Finanzierung des erforderlichen Personals zu einigen.

Einige Kliniken übererfüllen für leitliniengerechte Versorgung die Mindestpersonalvorgaben

Viele Krankenhäuser geben an, dass sie für eine leitliniengerechte Versorgung bereits Personal über die Mindestvorgaben der PPP-RL hinaus einsetzen. Insbesondere die Psychotherapeutinnen und -therapeuten werden in allen drei Einrichtungsarten (Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik) von mehr als der Hälfte der Krankenhäuser bereits über die Mindestvorgaben hinaus zur leitliniengerechten Versorgung eingesetzt.

Für die drei Einrichtungsarten ergeben sich je nach Berufsgruppe unterschiedliche Bedarfe an zusätzlichem Personal für eine leitliniengerechte Versorgung. In der Erwachsenenpsychiatrie haben etwa zwei Drittel der Standorte im 1. Quartal 2023 über das derzeit eingesetzte Personal hinaus Bedarf an Pflegefachpersonen und etwa die Hälfte an Spezialtherapeutinnen und -therapeuten sowie Sozialarbeiterinnen und -arbeiter für eine leitliniengerechte Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden insbesondere mehr Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachpersonen sowie Spezial- und Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten benötigt. In der Psychosomatik berichten dies etwa die Hälfte der befragten Standorte für alle Berufsgruppen. Etwa ein Drittel der Standorte erachtet die Mindestvorgaben der PPP-RL für eine qualitativ hochwertige Versorgung als ausreichend.

Verbesserte Therapiedichte wird teilweise erlebt

Die Bewertung der Auswirkungen der PPP-RL auf die Versorgungsqualität durch die betroffenen Kliniken fällt differenziert aus. So berichten sowohl Chefärztinnen und -ärzte als auch das am-Patienten-tätige Personal an etwa zwei Dritteln der Standorte, dass die PPP-RL zumindest im geringen Ausmaß mit einer Verbesserung der Therapiedichte assoziiert ist.

Die Personalausstattung hat sich der Evaluation zufolge in vielen Bereichen verbessert, was positive Auswirkungen auf die Versorgung hat. Allerdings werden auch negative Folgen wie eine erhöhte Flexibilisierung und damit geringere Kontinuität im Personaleinsatz sowie ein erhöhter administrativer Aufwand berichtet, der die Zeit für die direkte Patientenversorgung reduziert.

Die IGES-Wissenschaftler weisen darauf hin, dass sich der Beitrag der PPP-RL für die Sicherung der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Versorgung im ersten Abschlussbericht (noch) nicht abschließend bewerten lässt, zumal die Instrumente der Richtlinie noch nicht im vollen Umfang genutzt werden. Zudem ist die Qualität der Daten aus dem Nachweisverfahren noch zu verbessern.

Versorgungsqualität bleibt weiter im Blick

Es finden sich bislang nur wenige Hinweise darauf, dass die PPP-RL Veränderungen anstößt, die den Intentionen der PPP-RL entgegenlaufen. Einzelne Befunde, die auf eine Verringerung der Versorgungsqualität hinweisen könnten, wie die Verlagerung von Personal aus der ambulanten Versorgungsangeboten der Krankenhäuser in die stationären Behandlungsbereiche der Krankenhäuser, eine Verringerung der Behandlerkontinuität und rückläufige Anmeldungen für strukturelle Erweiterungsmaßnahmen, die einer gemeindenäheren Versorgung dienen, werden im Rahmen der Evaluation weiter beobachtet.

IGES-Experten geben Empfehlungen für Weiterentwicklung

Die Evaluation gibt zudem Empfehlungen, wie die Richtlinie weiterentwickelt werden könnte. Dazu gehören unter anderem Empfehlungen zur Prüfung der Ausnahmetatbestände nach § 10 PPP-RL und der Personalanrechnungen nach § 8 PPP-RL, die vor allem mit Blick auf den weiterhin bestehenden Fachkräftemangel bedeutsam sind, betonen die IGES-Autoren. Weitere Empfehlungen im ersten Evaluationsbericht der PPP-RL zielen auf ein verstärktes Hinwirken auf eine hohe Datenqualität im Nachweisverfahren und die kontinuierliche Überprüfung der vorgesehenen Nachweispflichten hinsichtlich möglicher Vereinfachungen der Dokumentation.

Daten ab dem Jahr 2017 ausgewertet

Die Evaluation der PPP-RL stützt sich auf umfassende Analysen unterschiedlichster Sekundärdaten der Jahre 2017 bis 2023. Ergänzt werden diese Ergebnisse durch die im Jahr 2024 durchgeführten Befragungen von Krankenhäusern und deren Personal, den Landeskrankenhausgesellschaften, den Landesaufsichtsbehörden, den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen, von Betroffenenorganisationen und von Prüferinnen und Prüfern der Medizinischen Dienste.