Studie zu Vorhofflimmern: mehr Diagnosen und weiter bestehende Therapielücken

Vorstellung der Ergebnisse auf dem diesjährigen Deutschen Kongress für Versorgungsforschung 2023 – Krankheitshäufigkeit steigt weiter – vier Millionen Betroffene

Berlin, 6. Oktober 2023 (IGES Institut) - Eine neue Studie liefert einen aktuellen Blick auf die Versorgung von Menschen mit Vorhofflimmern (VHF). Demnach wird die Herzrhythmusstörung inzwischen zwar häufiger diagnostiziert, bei der empfohlenen medikamentösen Behandlung bestehen aber weiterhin Versorgungslücken.

Für die Studie wertete ein Wissenschaftlerteam des IGES in Zusammenarbeit mit weiteren Experten Daten von 4,7 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus. Es handelt sich um eine der jüngsten Arbeiten zum Thema VHF, die eine im Vergleich zu früheren Studien sehr viel höhere Prävalenz ermittelt. Ergebnisse wurden erstmals auf dem diesjährigen Deutschen Kongress für Versorgungsforschung (4. bis 6. Oktober 2023) in Berlin präsentiert.

Demnach sind in Deutschland hochgerechnet fast vier Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) steigt seit Jahren: zwischen 2014 und 2018 bei Frauen um 24 Prozent und bei Männern um 23 Prozent. Gründe sind der demographische Wandel sowie das inzwischen gewachsene Bewusstsein für die Herzkrankheit.

Entscheidend ist das Wissen über ein bestehendes VHF, um so dem damit verbundenen höheren ischämischen Schlaganfallrisiko präventiv begegnen zu können. Therapie der Wahl ist die Gabe von blutverdünnenden Arzneimitteln (Antikoagulanzien).

Nur jeder Zweite mit Vorhofflimmern wurde vor einem Schlaganfall präventiv behandelt

Laut der Studie gab es bei 40 Prozent der Patienten, die einen mit VHF assoziierten Hirninfarkt erlitten, zuvor keinen Hinweis auf eine VHF-Diagnose und sie wurden in der Regel nicht präventiv behandelt. Aber auch von den Hirninfarkt-Betroffenen mit zuvor bekanntem VHF erhielt nur jeder zweite vor dem Ereignis Gerinnungshemmer. Nach dem Hirninfarkt stieg dieser Anteil nur leicht von 50 auf 59 Prozent an. Von denjenigen, bei denen das VHF nach dem Hirninfarkt diagnostiziert wurde, erhielten dagegen nach dem Ereignis 63 Prozent eine Behandlung mit Antikoagulanzien.

Im Jahr 2018 erlitten fast 109.000 GKV-Versicherte erstmals einen Hirninfarkt. Betroffene sind beim ersten Infarkt durchschnittlich knapp 75 Jahre alt, ergab die Studie. Mehr als jeder dritte Infarkt war mit VHF assoziiert (35,4 Prozent).

Schlaganfälle verursachen jährliche Kosten in Höhe von 2,4 Milliarden Euro

Die Studie liefert auch gesundheitsökonomische Daten. Nach einem ischämischen Schlaganfall lagen die direkten medizinischen Kosten im ersten Jahr bei rund 22.400 Euro. Bei 109.000 Schlaganfällen 2018 ergeben sich daraus geschätzte Kosten von 2,4 Milliarden Euro für die GKV. Dies entspricht etwa 1,1 Prozent der gesamten GKV-Leistungsausgaben im Jahr 2018 in Höhe von 226,22 Milliarden Euro.

Die Daten für die Studie stammen aus der Forschungsdatenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef). Die Untersuchung entstand im Auftrag der Unternehmen Bristol Myers Squibb und Pfizer.

Publikation:
Höer A., Schiffhorst G., Berkemeier F.; Häufigkeit und Kosten von ischämischen Schlaganfällen und Vorhofflimmern in Deutschland (GKV) unter Berücksichtigung von Versorgungsaspekten; IGES Institut, Berlin; 2023 (www.iges.com/vhf)

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