Spezialisierte Krankenhäuser: Fahrzeiten für Patienten nur geringfügig länger

Eine höhere Spezialisierung macht Krankenhäuser für Patienten nicht zwangsläufig schwerer erreichbar. Selbst bei einer Halbierung der Anzahl der Krankenhäuser, die Prostata-Entfernungen durchführen, würde sich die durchschnittliche Anreisedauer lediglich um fünf Minuten verlängern.

Berlin, 09. September 2016 (IGES Institut) - Dass eine höhere Spezialisierung von Krankenhäusern in vielen Bereichen zu einer besseren Behandlungsqualität führt, gilt in der wissenschaftlichen Literatur als gut belegt. Befürchtungen bestehen jedoch, dass dies eine flächendeckend wohnortnahe Versorgung gefährden könnte. IGES-Experten haben daher untersucht, welche Auswirkungen Mindestmengen auf die Anzahl der Krankenhäuser und auf ihre Erreichbarkeit für Patienten haben. Dies geschah im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung im Rahmen des Projektes „Faktencheck Gesundheit“.

Simulationen für fünf Operationen

Für ihre Simulationen wählten die Wissenschaftler fünf Behandlungsanlässe, für die es in Deutschland derzeit noch keine Mengenvorgaben gibt, internationale Studien aber einen Zusammenhang zwischen Fallzahlen und einer verbesserten Behandlungsqualität zeigen: Hüftprothesen-Operation, Prostata-Entfernung, Herz-Bypass- sowie zwei verschiedene Herzklappen-Operationen.

Beispiel Prostata-Entfernung: Von insgesamt 1.980 Krankenhäusern haben 414 diese Leistung im Jahr 2014 erbracht. Diese Kliniken sind für Patienten derzeit im Durchschnitt in 15 Minuten Fahrzeit zu erreichen. Bei der Einführung einer Mindestmenge von 40 Fällen pro Jahr - wie exemplarisch anhand der wissenschaftlichen Literatur abgeleitet - würde die Zahl der zu diesem Eingriff berechtigten Häuser auf weniger als die Hälfte (195 Krankenhäuser) sinken. Die Anreisedauer würde sich jedoch nur um fünf Minuten auf durchschnittlich 20 Minuten verlängern. In den anderen untersuchten Leistungsbereichen sind die Auswirkungen der Mindestmengen auf die Erreichbarkeit noch geringer.

Viele Patienten betroffen

Angesichts der insgesamt nur geringen Beeinträchtigungen der Erreichbarkeit plädieren die Forscher vor allem in den Bereichen der Hüftendoprothetik und Prostata-Entfernung für eine stärkere Spezialisierung und damit eine höhere Fallkonzentration. Selbst wenn nur geringe bis moderate Qualitätsverbesserungen je Fall zu erwarten sind, sei dies sinnvoll, da in diesen Leistungsbereichen viele Patienten betroffen wären.

Ebenso wenig wie eine signifikante, schlechtere Erreichbarkeit sprechen Kostenargumente gegen eine stärkere Spezialisierung der Krankenhausversorgung, legen die IGES-Experten im „Faktencheck Krankenhausstruktur“ dar: Mit ihr könnten sowohl kostensteigernde als auch kostensenkende Effekte einher gehen. Inwieweit diese Effekte realisiert werden, hänge maßgeblich von den regulatorischen Maßnahmen zur Steuerung der Krankenhausversorgung ab.