Drohender Hebammenmangel in Sachsen-Anhalt

In spätestens zehn bis fünfzehn Jahren könnten sich bereits bestehenden Lücken in der Hebammenversorgung in Sachsen-Anhalt weiter verschärfen. Dann droht, dass junge Hebammen altersbedingt ausscheidende Kolleginnen nicht mehr vollständig ersetzen können. Schon jetzt klagen viele Hebammen über hohe Arbeitsbelastung und darüber, aus Zeitgründen Frauen insbesondere in den Geburtskliniken nicht wie gewünscht betreuen zu können.

Berlin, 27. Dezember 2018 (IGES Institut) - Das zeigen Hochrechnungen des IGES Instituts für das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration in Sachsen-Anhalt. Dabei sind die Experten vom derzeitigen Ausbildungsgeschehen und der bestehenden Altersstruktur unter den Hebammen ausgegangen. Verschärfend kommt hinzu, dass 40 Prozent der derzeitig tätigen Hebammen planen, ihre Arbeitszeit in den kommenden fünf Jahren teilweise stark zu reduzieren.

Bereits jetzt hat knapp jede fünfte angestellte oder freiberufliche Hebamme im vergangenen Jahr oft oder sogar sehr oft daran gedacht, den Beruf ganz aufzugeben. Dies ist unter anderem eine Folge davon, dass viele Hebammen in den vergangenen Jahren ungewollt ihre Arbeitszeit erhöht haben, um Schwangere und Mütter zu versorgen. Ursache sind steigende Geburtenzahlen und Personalmangel in Kliniken. Das zeigt eine Befragung der Hebammen im Rahmen der IGES-Analysen. Aktuell sind schätzungsweise 431 Hebammen in Sachsen-Anhalt tätig. 120 von ihnen haben sich an der Befragung beteiligt.

Zahl der Geburten je Hebamme schwankt

Mehr als die Hälfte der befragten Hebammen monierte, nicht genug Zeit zu haben, Frauen so zu betreuen, wie sie es für richtig halten. Allerdings variiert das Verhältnis der Geburten je Hebamme regional sehr stark. Fallen etwa im Landkreis Harz auf eine freiberufliche Hebamme 29 Geburten, sind es im Landkreis Anhalt-Bitterfeld 86. Im Jahr 2017 wurden in Sachsen-Anhalt rund 17.800 Kinder geboren. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Geburtenzahl um 2,6 Prozent erhöht, allerdings regional sehr unterschiedlich.

Auch den Klinken fällt es zunehmend schwer, freie Hebammenstellen zu besetzen. Bis auf eine berichteten 16, ebenfalls im Rahmen der IGES-Untersuchung befragten Kliniken, dass es für sie schwer bis sehr schwer war, neue Hebammen zu finden. Im Mittel benötigten sie knapp fünf Monate dafür, einige bis zu einem Jahr.

Vermittlung von Hebammenleistungen über Plattform

Die IGES-Experten weisen darauf hin, dass das gegenwärtige Versorgungsniveau bei der Hebammenbetreuung nicht zukunftsfest ist, vor allem, wenn weitere Hebammen wie angekündigt, Arbeitszeit und Leistungsangebote reduzieren werden. Sie empfehlen daher, ein verlässliches Monitoring über Zahl und Leistungen von Hebammen aufzubauen, um Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.

Auch sollte über einen Ausbau der Ausbildungsplätze nachgedacht und ein entsprechender Studiengang in Sachsen-Anhalt etabliert werden, um den Nachwuchs zu sichern. Hilfreich wäre es zudem, die Vermittlung von Hebammen über eine zentrale Plattform zu unterstützen, weil Anfragen und Angebot oft ungleich verteilt sind. Ein derartiges Instrument existiert bereits erfolgreich im Nachbarland Sachsen. Und schließlich sei es nötig, die Arbeitssituation von Hebammen in Kliniken zu verbessern.

Wissenschaftler des IGES Instituts haben auch die Versorgung mit Hebammenleistungen in anderen Bundesländern untersucht:

In Sachsen (2019): Hebammenstudie Sachsen

In Bayern (2018): Studie zur Hebammenversorgung in Bayern

In Thüringen (2016): Hebammenversorgung in Tübingen

Bundesweit (2012): Versorgungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe