Prävention bei Pflegebedürftigen: Hausärzte und Pflegeberatung sollten mehr unterstützen

Gesundheitsförderliche und präventive Maßnahmen wirken bis ins hohe Lebensalter positiv, egal wann damit begonnen wird. Dies gilt auch für Pflegebedürftige und ist unabhängig von bereits bestehenden Krankheiten. Selbst hohe Pflegegrade oder starke kognitive Einschränkungen bedeuten kein Hindernis für Angebote zur Gesunderhaltung. Problem ist jedoch, ältere Menschen in Kontakt mit derartigen Präventionsangeboten zu bringen. Vor allem Hausärzte und auch die Pflegeberatung sollten dabei eine stärkere Rolle spielen.

Berlin, 19. Juni 2020 (IGES Institut) - Das ist ein Ergebnis einer Studie des IGES Instituts für den GKV-Spitzenverband zu Präventionspotenzialen bei zu Hause versorgten Pflegebedürftigen. Danach eignen sich vor allem kombinierte Therapieangebote – multimodale Interventionen, die am besten wirken, wenn sie konsequent in das Alltagsleben integriert sind. Das können Gruppenangebote sein oder, wenn dies nicht möglich ist, auch individuelle Maßnahmen zu Hause. Für beide Settings existieren Wirksamkeitsnachweise. Dabei geht es um die Förderung von Bewegung, Gedächtnisfunktionen und gesunder Ernährung sowie sozialer Kontakte. Ziel sollte es sein, das subjektive Wohlbefinden zu stärken, das ältere Menschen vor allem an der erlebten Selbstständigkeit festmachen.

Menschen bis Pflegegrad 3 profitieren besonders von Präventionsangeboten

Auch wenn im Prinzip jeder ältere Mensch von derartigen Angeboten profitieren kann, gibt es dennoch drei Gruppen, bei denen das Potenzial dafür am größten ist: Menschen bis Pflegegrad 3 und damit knapp 90 Prozent der ambulant versorgten Pflegebedürftigen, Menschen mit geringen bis höchstens erheblichen kognitiven Einschränkungen sowie Frauen, da sie generell eher als Männer bereit sind, etwas für die Gesundheit zu tun.

Für die Studie hatten IGES-Wissenschaftler nationale und internationale Studien zum Thema Prävention in der Pflege recherchiert und analysiert. Eingeflossen sind ferner Auswertungen von Daten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) und von Krankenkassen sowie aus Interviews mit Vertretern aus dem Bereich Pflege.

Mehr Präventionsempfehlungen bei der Pflegebegutachtung geben

Verbessert werden sollten der Studie zufolge die Möglichkeiten, älteren Menschen das Thema Prävention nahezubringen und bei Bedarf einen gewünschten Zugang zu Angeboten der Kranken- und Pflegekassen zu verschaffen. Diese Aspekte werden zwar bei der Pflegebegutachtung einbezogen, nachdem ein Antrag auf Pflegebedürftigkeit bei einer Pflegekasse gestellt wurde. Doch die Begutachtung bietet dafür nicht den geeigneten Rahmen, zumal Versicherten und ihren Angehörigen das Thema Prävention oft generell zunächst einmal nahegebracht werden muss. Der Studie zufolge erhält weniger als jeder sechste Versicherte mit Pflegebedarf während einer Begutachtung mindestens eine Präventionsempfehlung.

Auch Pflegeberatung für das Thema Prävention nutzen

Eine weitere Möglichkeit für Aufklärung zum Thema Gesundheitsförderung und Prävention könnte die individuelle Pflegeberatung durch die Pflegekassen eröffnen. Seit 2009 hat jeder Pflegebedürftige darauf einen Anspruch. Allerdings ist dieses Angebot vielen Betroffenen und Familien noch unbekannt, wie Untersuchungen zeigen.

Bessere Aufklärung der Haus- und Fachärzte über Präventionsangebote nötig

Das IGES-Expertenteam empfiehlt, niedergelassene Haus- und Fachärzte besser über Präventionsangebote der Kranken- und Pflegekassen zu informieren, damit diese ihre Patienten auf regional verfügbare Angebote aufmerksam machen können. Auch Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sollten dies stärker bei ihren Gästen anregen. Um Präventionsbedarfe bei Pflegebedürftigen besser zu erkennen, gibt es eine Reihe von etablierten Assessment-Instrumenten, die in der Studie vorgestellt werden.

3,9 Millionen Menschen waren laut amtlicher Statistik Ende 2018 pflegebedürftig. 75 Prozent (2,6 Millionen) werden zuhause pflegerisch betreut. Jeder zweite von ihnen ist 80 Jahre und älter. Knapp 90 Prozent sind noch nicht schwer in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt, was zahlreiche Optionen für Prävention eröffnet. Jeder zweite Pflegebedürftige bezieht Pflegegeld und nimmt ansonsten keine weitere professionelle Hilfe in Anspruch.