Digitale ambulante Versorgung: Fehleranfälligkeit und Sicherheit der IT-Systeme sorgen Ärzte und Psychotherapeuten

Die ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen sind innerhalb kurzer Zeit in der Lage, ihren Patienten neue digitale Angebote zu machen. Das hat die Corona-Pandemie am Beispiel der Videosprechstunden gezeigt. In anderen Bereichen tritt die Digitalisierung der Praxen allerdings auf der Stelle. IT-Sicherheitslücken, die Fehleranfälligkeit von EDV-Anwendungen und der notwendige Kosten- und Zeitaufwand machen den Praxen bei der digitalen Umstellung am meisten zu schaffen.

Berlin, 18. November 2020 (IGES Institut) - Etwas mehr als ein Drittel der ärztlichen Praxen und knapp 80 Prozent der psychotherapeutischen bieten mittlerweile Videosprechstunden an oder beabsichtigen dies. In der Zeit vor dem März vor Beginn der Pandemie waren es bei den Ärzten lediglich zehn Prozent und bei den Psychotherapeuten drei Prozent, die per Videosprechstunde mit ihren Patienten kommunizierten. Schutz des Praxisteams und der Patienten vor Covid-19 nennen 87 Prozent der Praxen als Treiber dieses Digitalisierungsschubes. Aber auch verstärkte Nachfragen von Patienten waren für 25 Prozent der Praxen der Anlass.

Das zeigt eine repräsentative bundesweite Befragung von knapp 2.200 Arzt- und Psychotherapeutenpraxen für das PraxisBarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), das Wissenschaftler des IGES Instituts erstellen. Es erscheint bereits in dritter Auflage und analysiert die Digitalisierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Die Befragung lief in den Sommermonaten und zeigt den Stand bis zum Juli 2020.

Immer mehr Ärzte sehen den Nutzen von Videosprechstunden

Praxen schätzen den Nutzen von Videosprechstunden für sich und ihre Patienten auch deshalb, weil sie Arbeitszeiten flexibler machen, das Besucheraufkommen reduzieren und Patienten leichteren Zugang verschaffen. Vor zwei Jahren werteten noch 18 Prozent den Mehrwert von Videosprechstunden als eher oder sehr hoch. Aktuell sind es rund 30 Prozent. Allerdings rückt auch die telefonische Beratung wieder stärker in den Fokus, als technisch einfachere Alternative zur internetabhängigen Bildübertragung. Besprechungen, etwa über Untersuchungsergebnisse, seien auch darüber sehr gut möglich.

Vor allem größere Praxen bieten digitale Angebote

Bei weiteren digitalen Angeboten sind vor allem größere Praxen führend: Während nur 18 Prozent der Einzelpraxen etwa eine Online-Terminvereinbarung ermöglichen, sind dies bei Praxen mit fünf und mehr Ärzten oder Psychotherapeuten rund 34 Prozent. Auch eine Online-Rezeptbestellung ist in jeder zehnten Einzelpraxis, hingegen in jeder vierten der großen Praxen möglich. Auch der Grad der Digitalisierung der Patientendokumentation ist abhängig von der Praxisgröße: Unter den großen Praxen mit fünf und mehr Ärzten/Psychotherapeuten haben mehr als zwei Drittel (67 Prozent) die Patientendokumentation nahezu komplett digitalisiert, bei den Einzelpraxen dagegen lediglich rund ein Drittel (34 Prozent).

Klagen über störanfällige Telematikinfrastruktur (TI)

Das PraxisBarometer Digitalisierung untersucht erstmals die aktuellen Erfahrungen der Praxen mit der Telematikinfrastruktur (TI). Danach sind inzwischen knapp 90 Prozent der ärztlichen Praxen angeschlossen. Doch das System scheint sehr fehleranfällig zu sein: Mehr als ein Drittel der Praxen berichtet, dass es mindestens einmal pro Woche Störungen gibt. Diese betreffen den Konnektor, das Kartenterminal oder den Netzwerkzugang.

Sorge und Informationsbedarf beim Thema IT-Sicherheit

Sorge bereitet den Praxen die Administration und Sicherheit ihrer IT: Mehr als 80 Prozent sehen dies als Hemmnis der weiteren Digitalisierung. Was den Praxen fehlt, sind eigenen Aussagen zufolge vor allem verbindliche Checklisten oder Leitlinien zur Sicherheit. Dabei gilt die Sorge ihrer Verantwortung für patientenbezogene Daten, sobald diese durch neue digitale Anwendungen den Praxisbereich verlassen.

Kaum Fortschritte beim Datenaustausch mit anderen Leistungserbringern

Beim digitalen Austausch zwischen Praxen und auch Krankenhäusern klaffen Wunsch und Realität noch immer weit auseinander. Rund 59 Prozent aller Praxen erwarten etwa von der digitalen Übertragung von Arztbriefen große Unterstützung im Praxisalltag. Aber knapp ein Viertel der Arztpraxen empfängt derzeit noch immer keinerlei digitale Daten von anderen ambulanten Einrichtungen. Ausnahmen bleiben - wie schon in den PraxisBarometern der Vorjahre gezeigt - Labordaten, die 70 Prozent der Arztpraxen digital empfangen. Bei den Hausärzten sind es sogar 90 Prozent.

Digitale Wüste ist weiterhin die schriftliche Kommunikation mit Krankenhäusern. Bei 95 Prozent der Praxen läuft diese noch immer überwiegend in Papierform ab. Dabei wünschen sich 70 Prozent der Praxen, Entlassbriefe ihrer Patienten nach einem Klinikaufenthalt digital zu empfangen. Real treffen diese Berichte derzeit nur bei fünf Prozent elektronisch ein.