Besonders viele Fehltage bei Erwerbstätigen mit Substanzstörungen

Substanzstörungen, zu denen auch Suchterkrankungen gehören, erscheinen in den Statistiken zum Arbeitsunfähigkeitsgeschehen zwar nur selten. Daten zeigen aber: Erwerbstätige mit Hinweisen auf eine Substanzstörung sind sehr belastet. Sie haben einen doppelt so hohen Krankenstand wie ihre Kollegen ohne Hinweise auf Substanzstörungen. Zudem sind bei ihnen auch Krankmeldungen für alle anderen Erkrankungsgruppen auffällig. Das zeigt eine in ihrer Form erstmalige Analyse zum Thema Sucht in der Arbeitswelt im Rahmen des DAK-Gesundheitsreports, für die auch Beschäftigte befragt wurden.

Berlin, 16. April 2019 (IGES Institut) - Danach verursachen so genannte Substanzstörungen im Jahr 2017 9,3 Fehltage je 100 ganzjährig Versicherte. Dabei geht es um psychische und Verhaltensstörungen aufgrund des Konsums von Drogen wie etwa Alkohol, Tabak oder Cannabis. Entsprechende Störungen haben einen Anteil am gesamten Krankenstand von lediglich 0,62 Prozent. Bedeutet: Nur bei 0,62 Prozent aller Fehltage liegt eine Krankschreibung wegen einer Substanzstörung zugrunde. Zum Vergleich: Die wichtigste Einzeldiagnose „akute Atemwegserkrankungen“ weist einen Anteil von 6,8 Prozent am Krankenstand auf.

Zusätzliche Fehltage durch psychische Erkrankungen

Allerdings führt eine derartige Krankschreibung zu überdurchschnittlich langen Ausfallzeiten von rund 30 Tagen. Zudem fehlen Betroffene insgesamt deutlich häufiger am Arbeitsplatz als ihre Kollegen ohne Suchtproblematik. Ihr Krankenstand ist mit 7,6 Prozent fast doppelt so hoch wie bei nicht betroffenen Kollegen (3,8 Prozent). Allerdings geht dies nicht nur alleine auf eine Substanzstörung zurück. Vielmehr sind sie wegen zahlreicher anderer Diagnosen arbeitsunfähig. Besonders deutlich wird dies bei psychischen Erkrankungen. Diese führen bei ihnen zu dreimal so vielen Fehltagen wie bei Erwerbstätigen ohne Hinweise auf eine Substanzstörung. An zweiter Stelle stehen Muskel- und Skelett-Erkrankungen mit einem Plus von 89 Prozent.

Alkohol spielt die größte Rolle

Unter den Substanzstörungen spielt Alkohol die größte Rolle. 74 Prozent der direkten Krankmeldungen bei Substanzstörungen gehen darauf zurück. 0,9 Prozent der befragten Erwerbstätigen konsumieren Alkohol in schädlicher Form. Das heißt, psychische, körperliche und soziale Folgeschäden treten bereits auf. 0,4 Prozent sind alkoholabhängig. Das entspricht in etwa jedem zweihundertsten Beschäftigten. Zu bedenken ist bei dieser gering erscheinenden Anzahl Betroffener in der Arbeitswelt, dass Süchtige öfters ganz aus dem Arbeitsleben ausscheiden und daher nicht befragt werden konnten.

Für den DAK-Gesundheitsreport 2019 mit dem Titel „Alte und neue Süchte im Betrieb“ hat das IGES Institut Arbeitsunfähigkeitsdaten von rund 2,5 Millionen Versicherten der DAK-Gesundheit ausgewertet. Ferner wurden rund 5.600 abhängig Beschäftigte zu ihrem Umgang mit Tabak, Alkohol, Videospielen und Sozialen Medien befragt.

Jeder zweite raucht während der Arbeitszeit

Jeder sechste Beschäftigte (16 Prozent) ist abhängiger Raucher. Fast jeder zweite raucht während der Arbeitszeit, also außerhalb von Pausen. Auffällig ist, dass der Anteil abhängiger Raucher in der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen am geringsten ist.

Erstmals untersucht der Report auch neu diskutierte, aber bisher wenig erforschte Störungen und Süchte wie Internet Gaming Disorder oder Social Media Disorder: Abhängigkeiten von Computerspielen oder von Social Media-Angeboten wie Facebook, Instagram oder Twitter. Beide Störungen sind noch nicht umfassend als Sucht anerkannt. Eine Gebrauchsstörung bei der Nutzung von Videospielen weisen ein Prozent der Erwerbstätigen auf. Mit Blick auf Social Media sind es 0,4 Prozent. Das Computerspielverhalten wirkt sich auch auf die Arbeit aus: Jeder zweite mit einer Computerspielsucht spielt während der Arbeitszeit.

Höchster Krankenstand seit 2010

Der DAK-Gesundheitsreport informiert wie immer auch über den generellen Krankenstand. Dieser steigt 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent, ein Höchststand seit 2010. Fast jeder zweite Beschäftigte ist mindestens einmal krankgeschrieben.

Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie Rückenschmerzen liegen mit 324,8 Arbeitsunfähigkeitstagen pro 100 ganzjährig beschäftigten Versicherten nach wie vor an der Spitze aller Krankheitsarten. Psychische Erkrankungen weisen beim Krankenstand den dritthöchsten Anteil von rund 15,2 Prozent auf, nach Atemwegerkrankungen (16 Prozent). Eine Krankschreibung dauert durchschnittlich 12,6 Tage. Der höchste Krankenstand mit 4,9 Prozent findet sich bei Beschäftigten in der Branche Verkehr, Lagerei und Kurierdienste.