Entkoppelte Ausgaben: GKV steuert auf Defizite in Milliardenhöhe zu

In der Diskussion um die künftige Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben IGES-Experten aktuelle Zahlen vorgelegt. Demnach könnte der GKV bis zum Jahr 2040 ein Defizit von bis zu 217 Milliarden Euro drohen, wenn die Ausgaben weiter so stark wie seit 2007 steigen und keine Gegenmaßnahmen erfolgen. Um diese Lücke zu schließen, müsste der gesetzliche Zusatzbeitrag der Versicherten von derzeit durchschnittlich 1,3 Prozent auf 10,9 Prozent steigen.

Berlin, 06. Oktober 2021 (IGES Institut) – Bei dieser Schätzung gingen die IGES-Experten von einem jährlichen, durchschnittlichen Ausgabenplus von 4,3 Prozent aus, das sich zwischen den Jahren 2007 und 2020 zeigte. In diesen Jahren kam es zu zahlreichen Leistungsausweitungen in der GKV.

Alternatives Szenario: moderate Ausgabenentwicklung

Die IGES-Experten haben aber auch die Folgen einer deutlich moderateren Ausgabenentwicklung durchgerechnet, wenn man längerfristige Trends der vergangenen 20 Jahre zugrunde legt. Wachsen die Ausgaben künftig jährlich nur um 2,6 Prozent, ergibt sich im Jahr 2040 ein deutlich geringeres Defizit in Höhe von 59 Milliarden Euro. Um dies zu decken, müsste der Zusatzbeitrag auf 3,9 Prozent steigen. Zusammen mit dem für alle Krankenkassen geltenden allgemeinen Beitragssatz in Höhe von 14,6 Prozent ergibt sich ein gesamter Beitragssatz für die Krankenversicherung von 18,5 Prozent.

Ausgaben und Einnahmen klaffen auseinander

Angelegt ist die drohende Finanzierungslücke jedoch bereits seit Beginn der 2000er Jahre: Denn seitdem haben sich Einnahmen und Ausgaben der GKV voneinander entkoppelt. So stiegen die Ausgaben seit 2005 um durchschnittlich 4,1 Prozent jährlich, die Einnahmen durch die Beiträge der Versicherten jedoch nur um 2,9 Prozent.

Diese Zahlen präsentierte der IGES-Geschäftsführer, Dr. Martin Albrecht, auf dem 20. Europäischen Gesundheitskongress München. Die Berechnungen knüpfen an eine IGES-Studie aus dem Jahr 2019 an. Darin wurde auch untersucht, welche Faktoren die Finanzsituation der GKV bis 2040 wie stark beeinflussen. Deutlich wurde, dass sich die Alterung der Bevölkerung anders als erwartet vergleichsweise gering auswirkt. Starken Einfluss haben jedoch die Lohnentwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt und die Krankheitslast der Versicherten.

Berechnungen aus dem Jahr 2019 bestätigt

Für die aktuellen Berechnungen wurde die Datengrundlage um die Jahre 2018 bis 2020 erweitert und damit auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zumindest teilweise berücksichtigt. Bei moderater Ausgabenentwicklung ändert sich die Höhe des Defizits im Jahr 2040 nur unwesentlich von 50 Milliarden Euro auf 59 Milliarden Euro. Alle Berechnungen erfolgten unter der Prämisse konstanter Beitragssätze und dem Ausbleiben von Gegenmaßnahmen oder Reformen der Umlagefinanzierung der GKV.