Häussler: Diabetes ist die politischste Krankheit überhaupt

Eine weitere Ausweitung des Primärarztsystems für Diabetiker als alleinige Lösung für eine bessere Versorgung ist nach Ansicht von Professor Bertram Häussler nicht erfolgversprechend. „Der Ansatz des Primärarztsystems ist schön und gut, aber da muss tatsächlich noch viel dazukommen, damit dies dann auch durchschlägt“, sagte der Leiter der IGES Gruppe auf der Fachveranstaltung „Tagesspiegel Expertenrunde“ in Berlin.

Berlin, 23. Mai 2025 (IGES Institut) - Er erwähnte als weitere „Zutat“ die Digitalisierung, die jedoch mit den jetzigen Strukturen ohne Elemente des Managed Care keine Siegermischung sei. „Wir müssen zusätzliche Management-Kompetenzen einbringen, um aus diesem Patt rauszukommen.“ Neben der Stärkung der Eigeninitiative von Menschen mit Diabetes etwa durch digitale Anwendungen seien medikamentöse Ressourcen wichtig, um auch die Adipositas erfolgreich zu bekämpfen.

Zu viele stationäre Fälle bei Diabetes in Deutschland

Häussler bezeichnete Diabetes als „politischste Krankheit überhaupt“. Mit einem systematischen Vorgehen hätte man diese bereits seit vielen Jahren gesundheitspolitisch im Griff haben können. Stattdessen stiegen die Zahlen der Betroffenen weiter an. Deutschland habe aktuell die höchste Rate an Krankenhauseinweisungen aller OECD-Länder. Dieser Spitzenplatz spreche für eine unzureichende ambulante Versorgung der Betroffenen, die nun vorurteilsfrei und tiefgreifend evaluiert werden sollte.

Besorgniserregende Zahlen bei Diabeteserkrankungen

Häussler verwies erneut auf die besorgniserregenden Prävalenzzahlen von Diabetes. Im Jahr 2023 litten Schätzungen zufolge etwa 11,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland unter Diabetes, die meisten - 11,0 Prozent - an Typ-2-Diabetes. Die Prävalenz steige kontinuierlich, seit 2009, als die Prävalenz noch bei 8,6 Prozent lag, jährlich um etwa 0,23 Prozentpunkte.

Besonders auffällig sei die starke regionale Disparität der Erkrankungshäufigkeit. Während in Freiburg lediglich 6,5 Prozent der Bevölkerung betroffen seien, erreicht die Diabetes-Prävalenz in Suhl mit 18,7 Prozent nahezu den dreifachen Wert, berichtete Häussler von Daten aus dem Gesundheitsatlas Deutschland des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO).

Regionale Unterschiede bei der Diabetesversorgung aufklären

Diese erheblichen regionalen Unterschiede deuteten laut Häussler auf vielschichtige sozioökonomische und strukturelle Faktoren hin, die bei der Entwicklung von Lösungsansätzen berücksichtigt werden müssten.

Im Fokus der vom Chefredakteur des Tagesspiegels Lorenz Maroldt moderierten Veranstaltung stand die Diabetesversorgung nach dem Regierungswechsel und die Frage, welche Potenziale zukünftig noch genutzt werden könnten, um die Versorgungsstruktur in Deutschland zu verbessern.