Gutachten: Effiziente Strukturen ärztlicher Versorgung

IGES/Rürup-Gutachten zur Entwicklung fachärztlicher Leistungen im deutschen Gesundheitssystem vorgestellt.

Regelmäßig wird behauptet, in Deutschland gäbe es zu viele Ärzte, insbesondere zu viele niedergelassene Fachärzte. Namentlich die „doppelte Facharztschiene“ in Klinik und Praxis sei ein wichtiger Grund für Ressourcenverschwendung und Unwirtschaftlichkeit.

Das IGES Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Berlin) hat in Kooperation mit Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup (Darmstadt) im Auftrag des Deutschen Facharztverbands (DVF) ein Gutachten erstellt, das die Frage beantworten soll, ob und ggf. in welchem Umfang sich die These der „doppelten Facharztschiene“ untermauern lässt.

Facharztdichte im internationalen Vergleich moderat

Von den insgesamt 308.000 berufstätigen Ärzten arbeiteten zuletzt (2005) rund 154.000 (50 %) als weitergebildete Fachärzte außerhalb der allgemein- medizinischen Versorgung, davon 56.000 in Arztpraxen, 69.000 im Krankenhaus, 8.000 in Vorsorge- und Rehakliniken und 21.000 in anderen Einrichtungen (meist nicht therapeutisch tätig). Während die gesamte Arztdichte in Deutschland im internationalen Vergleich mit 3,7 je 1.000 Einwohner relativ hoch ist, bewegt sich die Dichte an Fachärzten (ambulant und stationär) mit 1,6 je 1.000 Einwohner im internationalen Mittelfeld. Würde man auf die Fachärzte im ambulanten Sektor komplett verzichten, ergäbe sich mit 0,9 eine weit unterdurchschnittliche Facharztdichte. Deutschland fällt im internationalen Vergleich also nicht durch eine besonders hohe Facharztdichte auf, auch nicht im ambulanten Bereich.

Rückgang der Fachärzte in Praxen

Dies zeigt auch die Entwicklung der Zahl der Ärzte (gemessen in Vollzeitäquivalenten) in den letzten Jahren (2002 bis 2005): In den Krankenhäusern hat sie mit 8,0 % stark zugenommen, während sie in den Arztpraxen um 0,8 % zurückgegangen ist. Bei den niedergelassenen Fachärzten betrug der Rückgang sogar 2,0 %. Wenn also unterstellt wird, dass die "doppelte Facharztschiene" zu Überkapazitäten führt, dann scheint dies eher auf den stationären Sektor zuzutreffen.

Für die ambulante ärztliche Versorgung wird in Deutschland im internationalen Vergleich pro Einwohner mit 307 US$ (2003, kaufkraft-bereinigt) deutlich weniger ausgegeben als in anderen Ländern (z. B. Schweiz: 520 US$). Im stationären Bereich bewegen sich die Pro-Kopf-Ausgaben mit 804 US$ auch nur im internationalen Mittelfeld. Die von Kritikern der "doppelten Facharzt-schiene" häufig unterstellte Verteuerung der Versorgung lässt sich somit empirisch im internationalen Vergleich nicht nachweisen.

Einsparpotenziale bei Mehrfachuntersuchungen überschätzt

Die "doppelte Facharztschiene" wird häufig als Ursache für eine angebots-induzierte Leistungsausweitung genannt, die sich häufig in medizinisch unnötigen Doppel- und Mehrfachuntersuchungen äußerte. Es wird dabei unterstellt, dass Patienten mehrere ambulante Fachärzte in Anspruch nehmen, die ohne Koordination dieselbe Diagnostik betreiben. Darin wird häufig eine der Hauptursachen für Ineffizienz in der ärztlichen Versorgung gesehen.

Empirische Belege für diese These sind jedoch außerordentlich spärlich. Im Rahmen des vorliegenden Gutachtens wurde die Frage, wie häufig unnötige Wiederholungsuntersuchungen durch niedergelassene Ärzte durchgeführt werden, auf Basis von Abrechnungsdaten einer GKV-Stichprobe empirisch untersucht.

Die Kurzfassung des Gutachtens kann nachfolgend heruntergeladen werden.