GKV-Finanzbedarf: Große Lücken drohen spätestens ab 2024

Das Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird sich 2023 voraussichtlich auf 19 Milliarden Euro belaufen. Die Finanzlücke wird zudem weiter ansteigen, weil Ein- und Ausgaben der Krankenkassen nach wie vor auseinanderdriften: auf 25 Milliarden Euro im Jahr 2024 und rund 30,2 Milliarden Euro in 2025. Wirtschaftliche Folgen durch den Ukraine-Krieg könnten die Lage noch verschärfen: Ein Energieembargo durch Russland würde den Fehlbetrag 2023 und in den Folgejahren zusätzlich um jeweils fünf Milliarden Euro erhöhen. Die derzeit vorgesehenen gesetzlichen Finanzierungsmaßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums steuern jedoch in wichtigen Teilen nur das nächste Jahr an.

Berlin, 12. Juli 2022 (IGES Institut) – Das geht aus einer aktuellen Analyse des IGES Instituts für die DAK-Gesundheit hervor. Dabei schätzten die IGES-Experten zunächst den GKV-Finanzbedarf, der notwendig wäre, um den durchschnittlichen Zusatzbeitrag bis zum Jahr 2025 unter den derzeitigen Bedingungen bei gegenwärtig 1,3 Prozent halten zu können.

Folgen eines möglichen Energieembargos

Die IGES-Experten betrachteten dafür zwei Szenarien: ein Basisszenario auf Grundlage aktueller wirtschaftlicher Prognosedaten und ein Risikoszenario, das von einem sofortigen, umfassenden Lieferstopp von Energieexporten aus Russland ausgeht. In diesem Risikoszenario würde die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr 2023 in eine Rezession rutschen. Die Folgen am Arbeitsmarkt und bei der Lohnentwicklung würden den Finanzbedarf künftig jährlich um weitere fünf Milliarden Euro erhöhen: auf 24 Milliarden in 2023 und bis zu 35,6 Milliarden Euro im Jahr 2025.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit Finanzierungslücken

Die IGES-Experten haben zudem die erwarteten Effekte des derzeit diskutierten Entwurfes für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) betrachtet. Darin sind Maßnahmen vorgesehen, mit denen voraussichtlich ein Finanzierungsbedarf von gut 13 Milliarden Euro im kommenden Jahr gedeckt wäre. Bei dem prognostizierten Finanzbedarf 2023 im Basisszenario in Höhe von 19 Milliarden Euro bleibt eine Lücke von knapp sechs Milliarden Euro. Um diese zu schließen müsste der Zusatzbeitragssatz um etwa 0,4 Prozentpunkte steigen.

Die in dem Entwurf vorgesehenen Maßnahmen zielen vor allem auf den GKV-Finanzbedarf im kommenden Jahr 2023 ab. Sie wirken sich nur geringfügig in auf die Folgejahre aus. Dazu gehören geplante Einsparungen in den Bereichen Arzneimittel, vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung im Umfang von 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2024 und lediglich 1,5 Milliarden Euro in 2025. Demzufolge fällt die Finanzierungslücke in diesen Jahren erheblich größer aus: gut 22 Milliarden Euro im Jahr 2024 und knapp 29 Milliarden in 2025.

Ausgaben und Einnahmen der GKV klaffen weiter auseinander

Ursache für schlechten Finanzperspektiven der GKV ist, dass sich ihre Ausgaben im Trend stärker erhöhen als ihre Einnahmen: seit 2009 um jahresdurchschnittlich 4,2 Prozent, die Einnahmen dagegen nur um 3,5 Prozent. Fortgesetzte hohe Ausgabenzuwächse und gebremste wirtschaftliche Erholung lassen diese Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter aufgehen. Um dieses Auseinanderklaffen vor allem auf der Ausgabenseite in den Griff zu bekommen, sind nach Einschätzung der IGES-Experten nachhaltige Strukturreformen erforderlich. Mit derartigen Maßnahmen lassen sich jedoch in der Regel kurzfristig keine Einsparungen erzielen.

Die IGES-Autoren geben auch einen Ausblick auf die Auswirkungen weiterer diskutierter Finanzierungsoptionen für die GKV: etwa eine durch den Bund finanzierte ausgabendeckende Beitragspauschale für ALG-II-Bezieher, eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel oder eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze auf höhere Einkommen. Damit könnte den Berechnungen zufolge insgesamt ein jährliches Finanzvolumen in Höhe von 21 Milliarden Euro erreicht werden.