Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfen könnten mehr von der Beratung der Pflegekassen profitieren

Für Familien mit pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen und für pflegebedürftige Menschen mit Behinderung könnte das Pflegeberatungsangebot der Pflegekassen noch viel öfters zur hilfreichen Anlaufstelle werden. Derzeit greifen nur wenige von ihnen auf dieses Beratungsangebot zurück, obwohl es auf Fallmanagement, also auf passgenaue individuelle Hilfe, ausgerichtet ist. Allerdings sind die Berater derzeit noch zu wenig für diese besonderen Zielgruppen fortgebildet. Experten schlagen daher vor, spezialisierte Beratungsangebote für diese Menschen zu zentralisieren und dabei regional bekannter zu machen.

Berlin, 5. Oktober 2022 (IGES Institut) - Das ist das Ergebnis einer Sonderauswertung einer Studie des IGES Instituts zur Evaluation der Pflegeberatung durch die gesetzlichen Pflegekassen (Pflegeberatung nach § 7a SGB XI), die im Pflege-Report 2022 veröffentlicht wurde. Ziel der zusätzlichen Analyse war es, einen genaueren Blick auf die Pflegeberatungsstrukturen für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche und pflegebedürftige Menschen mit Behinderung zu werfen. Basis waren zwei bundesweite Online-Befragungen von rund 260 Beraterinnen und Beratern und von 99 Beratungsstellen.

Höhere Beratungsanteil erwartet

Demnach machen pflegebedürftige Kinder und Jugendliche und ihre Angehörigen derzeit fünf Prozent der Beratungsgespräche der Pflegeberaterinnen und -berater im Auftrag der Pflegekassen aus. Bei pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung sind es 16 Prozent. Das entspricht zwar den Anteilen, den diese beiden Gruppen an allen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland haben. Allerdings wäre nach Ansicht der Studienautorinnen ein höherer Beratungsanteil zu erwarten, weil diese beiden Gruppen sich in einer Pflegesituation befinden, die komplexe Unterstützungsbedarfe erfordert.

Laut Pflegestatistik 2019 sind knapp 161.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren pflegebedürftig. Das entspricht einem Anteil von vier Prozent an allen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland. Hinzukommen rund 148.000 Kinder mit einer Schwerbehinderung. Studien zeigen, dass fast 30 Prozent dieser Familien generell mit der Beratungssituation unzufrieden sind, wobei die Pflegeberatung der Pflegekassen für diese Familien nur ein Beratungsangebot von vielen ist, das nur selten genutzt wird.

Zur Anzahl an Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigkeit fehlen bisher genaue Statistiken. Schätzungen gehen von bis zu elf Prozent der Pflegebedürftigen aus.

Fehlende Fortbildung und Informationsmaterialien

Die Pflegeberatung der Pflegekassen könnte allerdings für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit Behinderung besser vorbereitet sein. Nur jede zweite Beratungsperson nutzt dabei spezielle Informationsmaterialien. 40 Prozent verweisen an spezialisierte Beratungsstellen im Vor- und Umfeld der Pflege. Zudem gaben nur etwa 16 Prozent der Pflegeberaterinnen und -berater in der Befragung an, dass sie für die Beratung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien speziell fortgebildet sind. Mit Blick auf Menschen mit Behinderung waren dies 20 Prozent. Auch in spezialisierten Beratungsstellen jenseits der Beratung der Pflegekassen sind nur 30 bis 40 Prozent der dort tätigen Beraterinnen und Berater für die Bedarfe dieser Menschen fortgebildet.

Spezialisierte Beratung zentralisieren und bekannt machen

Die IGES-Autorinnen sehen demnach noch große Lücken bei der Professionalisierung der Pflegeberatung bei diesen beiden besonderen Zielgruppen. Sie heben das Fallmanagement, die sozialgesetzbuchübergreifende Beratung sowie die Netzwerkarbeit hervor, was alles explizit zu den Aufgaben der Pflegeberatung der Pflegekassen gehört. Genau deswegen sei sie ein gut passendes und niedrigschwelliges Angebot für beide Zielgruppen. Allerdings räumen sie ein, dass es vermutlich zukünftig kaum möglich sein wird, auf regionaler Ebene überall spezialisierte Beratungsteams vorzuhalten. Daher könnten von Pflegekassen gemeinsam eingerichtete zentrale Stellen etabliert werden, die bei örtlichen Beratungsstellen gut bekannt sind und an die sie, wenn nötig, Ratsuchende gezielt verweisen können.