Neuer Nahverkehrsplan für Vorpommern-Rügen

Der Landkreis Vorpommern-Rügen will den öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in den kommenden Jahren deutlich stärken. Ziel ist es, ein verlässliches Angebot sowohl für die stark frequentierten Tourismusbereiche an der Küste als auch die ländlichen Regionen des Landkreises zu schaffen. Ferner sind verbesserte Umsteigemöglichkeiten und Informationsangebote für Fahrgäste vorgesehen. Das geht aus dem neuen Nahverkehrsplan des Landkreises hervor, der Planungsvorgaben für die nächsten Jahre gibt.

Berlin, 30. September 2022 (IGES Institut) - Entwickelt hat den Nahverkehrsplan (NVP) ein Expertenteam des Bereichs Mobilität des IGES Institut im Auftrag des Landkreises Vorpommern-Rügen. Auch die Kommunen sowie deren Bürgerinnen und Bürger wurden mit Hilfe von Befragungen und Workshops – sogenannten Mobilitätsdialogen - intensiv in die Erstellung einbezogen. Der Kreistag hat den NVP im April 2022 beschlossen. Der Landkreis Vorpommern-Rügen mit seinen rund eine Viertel Million Bewohnern und küstennahen Urlaubsgebieten liegt im Norden des Landes Mecklenburg-Vorpommern und besteht aus 101 kreisangehörigen Kommunen. Die bevölkerungsreichste Kommune ist Stralsund mit rund 59.000 Einwohnern (Stand 2019).

Der neue NVP dient als Planungsinstrument für den ÖPNV, um das zukünftige Buslinienangebot und die Angebotsqualität in den kommenden Jahren zu entwickeln. Besondere Herausforderung in dem Landkreis war es, sowohl Mobilitätsbedürfnisse in stark frequentierten Tourismusbereichen an der Küste als auch Bedarfe in davon entfernten, ländlichen Regionen zu befriedigen.

Neue Mindesterschließungsvorgaben mit dichterem Haltestellennetz

Der NVP sieht vor, die Erschließungsqualität durch neue räumliche Mindesterschließungsvorgaben zur Anbindung der Kommunen, Ortsteile und Verkehrsziele zu verbessern. Die IGES-Experten empfahlen hier dem Landkreis, eine neue Untergrenze zu setzen. Sind bisher Einzugsbereiche einer Haltestelle mit einem Kilometer definiert worden, sollen die Haltestellen künftig in maximal 600 Metern zu Fuß erreichbar sein. Darüber hinaus sollen im neuen NVP alle Ortsteile ab 100 Einwohnern über mindestens eine Haltestelle verfügen. Auch Orte, wo mehr als 100 Beschäftigte tätig sind, sollen durch mindestens eine Haltestelle durch den ÖPNV erschlossen sein. Die Erschließung kann sowohl mit Verkehrsmitteln des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) als auch des sonstigen ÖPNV erfolgen, wozu auch flexible Angebote wie Rufbusse gehören.

Netzhierarchie neu strukturiert

Eingebettet ist dies in eine neue Netzhierarchie mit Mindestbedienvorgaben. Oberste Ebene ist das Hauptnetz I zwischen Ober- und Mittelzentren und ausgewählten Grundzentren mit starken Verkehrsverflechtungen. Dies betrifft etwa die Verbindungen zwischen Bergen auf Rügen und Göhren oder Stralsund und Barth. Dort soll unter der Woche ein stündlicher Grundtakt gelten. Damit verknüpft ist das Hauptnetz II mit einem zwei- bis dreistündigem Takt, das vor allem auch ländliche Regionen des Landkreises besser einbinden soll. Berücksichtigt werden dabei auch Schiffsverkehre zur Anbindung der Insel Hiddensee. Erstmals werden für den Landkreis auch flexible On Demand-Angebote wie Rufbusse eingeführt, unter anderem in der Region Nordvorpommern im Bereich Grimmen.

Das Oberzentrum Stralsund, die Mittelzentren sowie weitere funktionale, Bevölkerungs- sowie touristische Schwerpunkte werden zusätzlich durch Stadt- bzw. Ortsverkehre erschlossen. Vorgesehen ist ergänzend auch ein Tourismusnetz, das die Hauptnetze saisonal verdichten soll. Die IGES-Gutachter empfehlen dafür, ein Gästekartensystem zur Mitfinanzierung einzuführen, wie es bereits viele andere touristische Regionen in Deutschland etabliert haben.

Umsteigen in weniger als 15 Minuten

Der neue NVP sieht zudem zahlreiche Maßnahmen für eine verbesserte Qualität der Mobilitätsangebote vor. Dazu gehört etwa eine konsequente Anschlusssicherung an festgelegten Verknüpfungspunkten mit einer Umsteigezeit von nicht mehr als 15 Minuten. Damit Busse nicht mehr im Stau stehen liegt ein Fokus auf der ÖPNV-Beschleunigung beispielsweise durch Sonderfahrstreifen oder einer Bevorrechtigung an Ampeln. Busse sollen zudem barrierefrei sein sowie gut sicht- und hörbare automatische Fahrgastinformationen bieten. Auch Nachhaltigkeits- und Umweltstandards spielen im NVP eine wichtige Rolle. So soll ein Pilotprojekt zum Einsatz alternativer Antriebstechnologien erfolgen und auch der künftige Einsatz autonomer Fahrzeuge geprüft werden.

Die Entwicklung des NVP basiert auf einer Bestandsanalyse des derzeitigen Mobilitätsgeschehens in dem Landkreis sowie auf Prognosen künftiger Entwicklungen. Im Jahr 2019 wurden im ÖPNV im Landkreis Vorpommern-Rügen nach Angaben der kreiseigenen Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Rügen (VVR) rund 11,7 Millionen Fahrgäste befördert. Fast die Hälfte davon waren Schülerinnen und Schüler. Derzeit bedient die VVR insgesamt 69 Linien mit einer Streckenlänge von rund 2.000 Kilometern.