Gutachten zeigt Chancen von Teilarbeitsfähigkeit in Deutschland

Das Gutachten erörtert ausführlich die in den skandinavischen Ländern bestehenden Regelungen zu Teilarbeitsfähigkeit und Teilkrankengeld. Es wird analysiert, ob und inwieweit einzelne Elemente der skandinavischen Systeme auf Deutschland übertragbar wären.

Titel der Studie: Teilarbeitsfähigkeit und Teilkrankengeld - Erfahrungen skandinavischer Länder und deren mögliche Übertragbarkeit auf die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland

Hintergrund: Krankengeldausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind in den vergangenen zehn Jahren sehr stark gestiegen. Als Reaktion hatte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2015 mit Verweis auf skandinavische Länder u.a. empfohlen, die Möglichkeit einer Teilkrankschreibung in Deutschland einzuführen.

Fragestellung: Sind Regelungen skandinavischer Länder zur Teilkrankschreibung auf Deutschland übertragbar? Wie wäre die Akzeptanz einer möglichen Übertragung in Deutschland? Welche finanziellen Folgen hätte ein verstärkter Einsatz von Teilkrankschreibungen?

Methode: Literaturrecherchen/-analyse, Expertenbefragungen, Expertenworkshops, Simulationsberechnungen.

Ergebnisse: Teilkrankschreibungen verhindern in Skandinavien erfolgreich Frühverrentungen und Langzeitarbeitsunfähigkeit. Aufgrund des Fachkräftemangels und demographischen Wandels erscheint es auch für Deutschland sinnvoll, Teilarbeitsfähigkeit als regelhaft zu prüfende Option einzuführen.

Autoren: Dr. Martin Albrecht, Susanne Hildebrandt, Dr. Uwe K. Preusker, Dr. Monika Sander, Stephanie Sussmann
    
Auftraggeber: Bundesministerium für Gesundheit

Schlagwörter: Arbeitsunfähigkeit, Teilarbeitsfähigkeit, Teilkrankengeld, Krankengeldausgaben

Berlin, 9.03.2018 (IGES Institut) - Erstellt haben es Wissenschaftler des IGES Instituts zusammen mit dem Experten für nordeuropäische Gesundheits- und Sozialsysteme, Dr. Uwe K. Preusker, für das Bundesministerium für Gesundheit.

Danach variiert die konkrete Ausgestaltung der Regelungen zwischen den verschiedenen nordeuropäischen Ländern stark. Ausführlich analysiert wurde Schweden, das Land mit den längsten Erfahrungen mit Teilkrankschreibungen und Teilkrankengeld und dem höchsten Nutzungsgrad mit knapp einem Drittel aller Krankschreibungen, sowie Finnland als Land, das die Möglichkeit der Teilkrankschreibung und des Teilkrankengeldes erst im Jahr 2007 eingeführt hat. Dort liegt der Nutzungsgrad lediglich bei knapp sechs Prozent.

Schnellere Rückkehr in den Beruf

Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltungen des Instrumentes eines Teilkrankengelds zeigen Studien für die vier nordeuropäischen Länder durchweg positive Effekte von Teilkrankschreibungen und Teilkrankengeld. Hierzu zählen eine schnellere Rückkehr in den Beruf, eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine vollständige Rückkehr in den Beruf und damit eine Vermeidung von Frühverrentungen sowie teilweise eine Verringerung von Fällen mit langfristiger Arbeitsunfähigkeit.

Weg vom Entweder-Oder bei Krankschreibungen

Vor dem Hintergrund der geschilderten positiven Erfahrungen der vier nordeuropäischen Länder empfehlen die Gutachter auch für Deutschland bzw. die GKV einen grundlegenden Perspektivwechsel weg von der Arbeitsunfähigkeit als Entweder-Oder-Entscheidung hin zur Konzentration auf die verbliebene Arbeitsfähigkeit. Primäres Ziel sollte es dabei sein, für erkrankte Beschäftigte die Möglichkeiten einer Rückkehr zur Arbeit zu erweitern. Möglich wäre eine Weiterentwicklung bzw. Ausweitung des Instruments der stufenweisen Wiedereingliederung. Von einer Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte – verbunden mit entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen – Teilarbeitsfähigkeit zu prüfen, ist zu erwarten, dass dieses Instrument systematischer und damit häufiger genutzt wird.

Empfehlungen des Sachverständigenrates weitergeführt

Hintergrund des Gutachtens ist eine Empfehlung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Sondergutachten zu den Ursachen des Anstiegs der Krankengeldausgaben sowie zu den Steuerungsmöglichkeiten der Krankengeldausgaben aus dem Jahr 2015. Als die Arbeitsfähigkeit wahrende und die Krankheitsdauer verkürzende Maßnahme empfahl der Sachverständigenrat darin an erster Stelle, die Möglichkeit einer Teilkrankschreibung einzuführen. Damit verbunden wäre eine graduelle Differenzierung der Arbeitsunfähigkeit anstelle der gegenwärtig in Deutschland praktizierten „Alles‐oder‐nichts‐Regelung“, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entweder als „gesund“ oder als zu 100 % arbeitsunfähig eingestuft werden.