Experten: Geriatrie und Intensivmedizin besonders pflegesensitiv

Pflegeexperten zufolge sind insbesondere die Geriatrie und die Intensivmedizin pflegesensitiv. Nicht ganz so eindeutig beurteilen die Fachleute die Pflegesensitivität der Bereiche Neurologie, Kardiologie, Herzchirurgie sowie Unfallchirurgie. Uneins sind sie sich, wie der jeweilige Bereich innerhalb ein Klinik abzugrenzen ist.

Titel der Studie: Personaluntergrenzen – Expertenbefragung

Hintergrund: Diskussionen um Personalmangel und Überlastung in der Kranken- und Altenpflege halten an. Als eine Gegenmaßnahme hat der Gesetzgeber 2017 festgelegt, dass für ausgewählte, so genannte pflegesensitive Bereiche in Kliniken ab 2019 verbindliche Personaluntergrenzen gelten sollen.

Fragestellung: Welche Bereiche im Krankenhaus sind pflegesensitiv?

Methode: Qualitative, leitfadengestützte telefonische Befragung von 71 Pflegeexpertinnen und –experten. .

Ergebnisse: Ein großer Teil der befragten Pflegeexpertinnen und -experten beurteilen die Geriatrie und die Intensivmedizin als pflegesensitiv, gefolgt von den Bereichen Neurologie, Kardiologie, Herz- und Unfallchirurgie. Sie schlagen alternativ vor, den Personalbedarf patientenindividuell zu bemessen.

Autoren: Anatol-Fiete Näher, Monika Sander, Martin Albrecht unter Mitarbeit von Nathalie Keil
    
Auftraggeber: GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)

Schlagwörter: Pflege, Krankenhäuser, Pflegesensitivität, Personaluntergrenzen

Berlin, 29. Mai 2018 (IGES Institut) - Das geht aus einer Befragung von Pflegeexpertinnen und -experten hervor, die das IGES Institut für den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) durchgeführt hat. Ziel war es, mit Hilfe der Einschätzung der Expertinnen und Experten pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus zu identifizieren.

Pflegepersonaluntergrenzen ab 2019

Hintergrund ist, dass beide Verbände bis 30. Juni 2018 im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung „pflegesensitive Bereiche“ im Krankenhaus festlegen und für diese Pflegepersonaluntergrenzen vereinbaren müssen. Diese sollen dann ab Januar 2019 bundesweit verbindlich gelten. Als pflegesensitiv gelten laut Gesetz stationäre Bereiche, in denen ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Pflegefachkräfte und dem Auftreten von unerwünschten Ereignissen besteht.

Gezielt befragt zu den sechs Bereichen, auf die sich der GKV-SV und die DKG bislang verständigt haben, erachten mehr als 90 Prozent der Interviewten die Bereiche Geriatrie und Intensivmedizin als pflegesensitiv. Im Bereich der Geriatrie sehen sie insbesondere einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Pflegekräfte und dem Risiko des Wundliegens (Dekubitus), von Infektionen oder Stürzen. Ein vergleichsweise höherer Pflegebedarf bestehe dort, weil ältere Patienten häufig multimorbide oder dement sind. Die Intensivmedizin stufen die befragten Experten als pflegesensitiv ein, weil dort unerwünschte Zwischenfälle oft lebensbedrohliche oder sogar tödliche Folgen haben können.

Auch die Innere Medizin genannt

Mehr als die Hälfte sehen zudem die Bereiche Neurologie, Kardiologie, Herzchirurgie sowie Unfallchirurgie als pflegesensitiv an. Allerdings gibt es bei allen vier Bereichen – insbesondere bei der Kardiologie und Unfallchirurgie – auch Studienteilnehmer, die diese Bereiche nur teilweise als pflegesensitiv klassifizieren. In der Neurologie sind es den Experten zufolge schwerwiegende Erkrankungen wie Schlaganfall oder Parkinson, die zur Pflegesensitivität führen. In der Kardiologie begründen dies der hohe Überwachungsbedarf und die vielen Komplikationsrisiken. Komplikationsrisiken machten auch die Herzchirurgie pflegesensitiv. Über die sechs bereits vorausgewählten Bereiche hinaus, wurde insbesondere die Innere Medizin von den Experten als pflegesensitiv eingestuft.

Pflegerisiken besonders während der Nacht

Für die von den Experten als pflegesensitiv identifizierten Bereiche werden die Pflegerisiken während der Nachtdienste mehrheitlich als systematisch erhöht eingeschätzt. Hierfür machen sie nicht spezifische unerwünschte Ereignisse verantwortlich, sondern grundsätzlich geringere Personalschlüssel in der Nacht. Diese erschwerten es, die Patientinnen und Patienten in ausreichendem Maße zu überwachen und adäquat zu versorgen.

Definition des Begriffs Bereich

Die Ergebnisse der Befragung zeigen ferner, dass die Experten Klärungsbedarf beim Begriff „Bereich“ sehen, auf den das Konzept der Pflegesensitivität übertragen werden soll. Ein Teil von ihnen plädiert dafür, einen Bereich auf die organisatorischen Einheiten im Krankenhaus zu beziehen. Ein anderer hingegen empfiehlt, Pflegesensitivität anhand der Patientenprofile abzugrenzen: etwa Pflegeaufwand geriatrischer Patienten losgelöst von einer Aufnahme in eine Fachabteilung „Geriatrie“ zu bemessen.

Insgesamt 71 Experten interviewten die IGES-Wissenschaftler telefonisch, darunter Pflegefachkräfte, Vertreter aus Pflegedirektionen und -leitungen sowie aus der Pflegewissenschaft.