Studie: Pflegekräfte zielgerichtet und orientiert an der Pflegequalität aufstocken

In deutschen Krankenhäusern sind im internationalen Vergleich besonders wenige Pflegekräfte tätig, auch wenn ihre Zahl seit einigen Jahren steigt. Zugenommen hat zugleich ihre Arbeitsbelastung. Ob, vor allem aber wie stark sich mehr Pflegepersonal auf die Versorgungsqualität auswirken würde, ist derzeit unklar. Experten raten davon ab, die Pflegepersonalausstattung in Krankenhäusern nach dem Gießkannenprinzip aufzustocken. Vielmehr sollte sich dies künftig nach angestrebten, messbaren Ergebnissen der Pflegequalität richten.

Titel der Studie: Faktencheck Pflegepersonal im Krankenhaus – Bewertung des Status quo in Deutschland auf Basis internationaler Vergleiche und empirischer Erkenntnisse

Hintergrund: Gesundheitspolitische Diskussionen in Deutschland über einen Mangel an Pflegepersonal in Krankenhäusern angesichts steigenden wirtschaftlichen Drucks auf Kliniken.

Fragestellung: Wie sind die derzeitige Pflegepersonalausstattung in deutschen Krankenhäusern und entsprechende Krankenhausreformen zu bewerten?

Methode: Literaturbasierte Darstellungen zur Bestimmung des Pflegebedarfs und seiner Einflussfaktoren, Deskriptive Statistik zur aktuellen Situation, Empirische Analysen zur Pflegequalität u.a. mit SQB-Daten.

Ergebnisse: Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über eine unterdurchschnittliche Pflegepersonalausstattung in Krankenhäusern mit steigender Arbeitsbelastung. Eine Aufstockung des Personals sollte vor allem dort geschehen, wo mehr Personal die Pflegequalität nachweislich steigern kann. Einheitliche Mindeststandards sollten sich auf besonders pflegesensitive Bereiche beschränken.

Auftraggeber: Bertelsmann Stiftung

Schlagwörter: Krankenhäuser, Pflegepersonal, Pflegequalität, Bedarfsgerechtigkeit

Berlin, 16. Mai 2017 (IGES Institut) - In den allgemeinen Krankenhäusern waren in Deutschland im Jahr 2015 rund 291.000 Pflegekräfte in Vollzeit beschäftigt. Sie stellen mit einem Anteil von 36,1 Prozent die mit Abstand größte Beschäftigtengruppe dar. In Krankenhäusern privater und freigemeinnütziger Träger war der Pflegepersonalanteil mit jeweils rund 39 Prozent höher als in öffentlichen Krankenhäusern (33,6 Prozent). Das geht es dem „Faktencheck Pflegepersonal im Krankenhaus“ hervor, den IGES Wissenschaftler im Auftrag der Bertelsmann Stiftung verfasst haben.

Zahl der Pflegekräfte nimmt wieder zu

Die Zahl der Pflegevollkräfte in allgemeinen Krankenhäusern war zwischen 2000 und 2007 um knapp 34.000 zurückgegangen. Seitdem steigt die Zahl wieder an, ohne jedoch wieder das Ausgangsniveau zu erreichen: Im Jahr 2015 gab es dort immer noch 5,6 Prozent weniger Pflegevollkräfte als 2000, was 17.000 Krankenpflegern entspricht.

Mit diesen Zahlen schneidet Deutschland im internationalen Vergleich deutlich unterdurchschnittlich ab, unabhängig, ob man die Pflegepersonalausstattung auf die Zahl der Behandlungsfälle, Betten oder Einwohner bezieht. So kamen in Deutschland im Jahr 2012 auf 1.000 stationäre Fälle rund 19 Vollzeit-Pflegekräfte. Im Durchschnitt andere OECD-Ländern waren dies knapp 32 Pflegekräfte.

Arbeitsbelastung wächst aufgrund Zunahme der Behandlungsfälle

Zugenommen hat zudem die Arbeitsbelastung. So stieg in den vergangenen zwölf Jahren die Zahl der Behandlungsfälle, die eine Kraft betreuen muss, um knapp 12 Prozent. Auf die wachsende Arbeitslast deutet auch die steigende durchschnittliche Schwere der Behandlungen hin, sichtbar am Case-Mix-Index. Der Case-Mix je Pflegevollkraft hat seit 2010 jährlich um durchschnittlich 0,7 Prozent zugenommen.

Anhand dieser am Pflegebedarf orientierten Daten, so genannten Inputgrößen, eine optimale Pflegepersonalausstattung allgemeinverbindlich festzulegen, ist den Autoren zufolge kaum möglich. Zu unterschiedlich seien die individuellen Bedarfe und Möglichkeiten einzelner Häuser, Pflegepersonal zu steuern. Auch die finanziellen Folgen oder Fachkräftemangel könnten ein Hindernis sein.

Personalplanung an der Versorgungsqualität ausrichten

Zielgerichteter ist es, den Personalbedarf an ausgewählten, angestrebten Zielgrößen für die Versorgungsqualität zu orientieren, an patientenrelevanten Outcomes. Internationale Studien deuten darauf hin, dass mehr Pflegekräfte in einigen Bereichen der Krankenhausversorgung zu besseren Behandlungsergebnissen führen können. Für Deutschland ist dies jedoch bisher kaum untersucht.
 
Eine für den Faktencheck erfolgte Analyse von Daten der Strukturierten Qualitätsberichte der Krankenhäuser (SQB-Daten) hat dies nun für einzelne Indikationen mit hohem Pflegebedarf zeigen können. So kommt es etwa zu weniger Wundinfektionen nach Hüftfrakturen, wenn mehr Pflegepersonal vor Ort ist. Dabei sind aber neben der Pflegepersonalausstattung auch weitere Einflussfaktoren auf die Versorgungsqualität wie etwa Ausstattung mit ärztlichen Kapazitäten zu berücksichtigen

Die IGES-Experten plädieren dafür, im Rahmen der externen vergleichenden Qualitätssicherung der Krankenhäuser aussagekräftige Daten zur Pflegequalität zu erheben. Dies sei auch nötig, um mehr Mittel für zusätzliche Pflegekräfte, wie sie mit den jüngsten gesetzgeberischen Initiativen beschlossen wurden (Pflegestellen-Förderprogramm), zielgerichteter einzusetzen.

Feste einheitliche Personalvorgaben sollten dabei jedoch für ausgewählte pflegeintensive Bereiche wie Intensivstationen oder die Neonatalogie gelten, in denen die Versorgungsqualität in besonderem Maße von der Pflegepersonalausstattung abhängt. Dabei könnte es sinnvoll sein, diese Versorgungsbereiche stärker auf wenige Einrichtungen zu konzentrieren, um die geforderte hohe Pflegeausstattungen überhaupt flächendeckend vorhalten zu können, so die Studienautoren.