Experte: Regionalisierung birgt auch unerwünschte Wirkungen

Eine stärkere Regionalisierung der Gesundheitsversorgung wird vielfach als Antwort auf Versorgungsengpässe insbesondere in ländlichen Regionen angesehen. Als neues Paradigma der Gesundheitspolitik eignet sich dieser Ansatz jedoch nur bedingt, meint der Leiter des IGES Instituts, Prof. Dr. Bertram Häussler.

Berlin, 24. März 2017 (IGES Institut) - „Eine stärkere regionale Steuerung von Versorgungsangeboten hat für viele eine stark positive emotionale Ausstrahlung. Es würde aber schnell klarwerden, dass die Regionen keine Entscheidungen treffen können, die nur zentral möglich sind. Etwa, wenn es um die Umverteilung von Ressourcen von über- auf unterversorgte Regionen geht“, erläuterte Häussler auf dem Kongress „Regionale Versorgung – Analyse, Modellprojekte, Translation“ der Fachzeitschrift „Monitor Versorgungsforschung“ in Berlin. Zudem würden sich bald auch unerwünschte Wirkungen zeigen, wenn mit regionalen Gesundheitszentren quasi Angebotsmonopolisten entstünden, was zu Lasten des Wettbewerbs ginge.

Hintergrund ist unter anderem, dass Kommunen seit 2015 medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen können. Dies war eine politische Reaktion auf die zunehmenden Versorgungsengpässe in ländlichen Regionen aufgrund von Ärztemangel. Kommunale Gesundheitszentren, wie insbesondere im Beschluss der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom September 2016 beschrieben, sehen viele als Lösung für das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland.

Digitalisierung als konkurrierendes Paradigma

Häussler betonte, dass die Digitalisierung derzeit ebenfalls vielfältige Vorschläge für eine Umgestaltung des Gesundheitswesens beinhalte: „Mit der Digitalisierung entsteht ein konkurrierendes Paradigma, das sich wesentlich besser in wettbewerbliche Ansätze einfügen lässt.“ Dennoch habe die Regionalisierung ein wichtiges Potenzial für unterversorgte Gebiete, für die wettbewerbliche Ansätze nicht ideal seien.

Politik der Detailsteuerung

Im Rahmen einer Bestandsaufnahme der Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre verwies Häussler auf die „Rekordzahl von neuen Gesetzen“. Diese hätten zu hohen zusätzlichen Ausgaben, aber kaum zu strukturellen Reformen geführt, die nachhaltige Verbesserungen von Qualität oder Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Der IGES-Leiter sieht diese aktuelle Politik der politischen Detailsteuerung als Folge des gewollten Scheiterns der Wettbewerbsorientierung, die Mitte der 2000er Jahre in Gang gesetzt worden sei.