Medizinische Forschung für Ärzte wenig attraktiv

Deutschland steht bei öffentlicher Förderung hinter anderen OECD-Ländern - IGES-Experten empfehlen spezifische Vergütung für Universitätskliniken

Berlin, 27. Februar 2014 (IGES Institut) - Nachwuchswissenschaftler haben es in der Hochschulmedizin in Deutschland schwerer als in anderen Ländern. Fehlende Anerkennung, schlechte Vereinbarkeit wissenschaftlicher mit klinischer Tätigkeit, geringe Aufstiegschancen und bessere Verdienstmöglichkeiten außerhalb der Wissenschaft machen medizinische Forschung für Ärzte wenig attraktiv.

Dies zeigt eine Analyse des IGES Instituts im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation der deutschen Bundesregierung (EFI), die einen Überblick über die aktuelle Situation von Forschung und Innovation in der Hochschulmedizin gibt. Die Ergebnisse der IGES-Untersuchung sind in das EFI-Jahresgutachten 2014 eingeflossen, das gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben wurde.

Langer und unsicherer Weg bis zur Professur

Auf dem Weg zur Professur steht in Deutschland jungen Medizinern ein langer, unsicherer Karriereweg mit meist nur befristeten Stellen bevor: Rund 80 Prozent der knapp 49.000 wissenschaftlichen Mitarbeiter in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften waren 2011 nur befristet beschäftigt. Stellen mit langfristigen Karriereperspektiven, wie etwa die in den USA angebotenen „tenure track“-Stellen, bei denen jungen Wissenschaftlern nach einer erfolgreichen, befristeten Bewährungszeit Aussicht auf eine unbefristete Stelle auf Lebenszeit gegeben wird, existieren in Deutschland bisher kaum. Juniorprofessuren mit „tenure track“ sind hierzulande zwar rechtlich möglich, wurden von den Universitäten aber nur sehr zögerlich umgesetzt.

Wissenschaftliche Erfolge konkurrieren mit klinischer Erfahrung

Dabei sind Juniorprofessuren in der Humanmedizin ohnehin mit einem Anteil von nur fünf Prozent besonders wenig verbreitet. Ursache dafür ist der immer noch bestehende Spagat zwischen wissenschaftlicher Leistung und klinischer Erfahrung, die bei einer frühen Berufung noch gering ist. Juniorprofessoren befürchten deshalb, dass sie später bei einer Bewerbung auf eine volle Professur benachteiligt werden, da diese häufig an die Leitung einer Abteilung oder Klinik gebunden ist.

Die Entscheidung für eine wissenschaftliche Karriere wird auch dadurch erschwert, dass oft nicht klar ist, ob Forschungszeiten in der Facharztausbildung anerkannt werden oder nicht. Zu Lasten einer Forschungskarriere wirken in Deutschland zudem die oftmals besseren Einkommen außerhalb des Wissenschaftssystems sowie die uneinheitliche Vergütung an den jeweiligen Universitätskliniken.

Im Ausland, vor allem in den USA, werden Ärzte bei ihrer Laufbahnplanung entlastet, indem man ihnen bereits bei Ausbildungsbeginn und später bei der Stellengestaltung Karrierewege mit unterschiedlichem Schwerpunkt eröffnet, wahlweise in der Forschung, der Lehre oder der Krankenversorgung.

Deutschland hinkt bei der Finanzierung medizinischer Forschung hinterher

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in der Medizin sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen: In der Hochschulmedizin zwischen 2002 und 2010 jährlich um 4,5 Prozent, bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sogar um 7,1 Prozent. Insgesamt 10 Milliarden Euro gaben Wirtschaft, Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen 2010 für FuE in der Medizin aus.

Rund ein Drittel der Gelder, die Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen für Forschung ausgaben, stammten direkt aus öffentlich finanzierten Drittmitteln vor allem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Drittmittel sind in der Hochschulmedizin in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Sie machten 2010 einen Anteil von 45 Prozent - knapp 1,5 Milliarden Euro - der gesamten FuE-Ausgaben in diesem Bereich aus. Andere Länder wie die USA, Kanada oder die Niederlande investierten jedoch deutlich mehr. Auch wenn Deutschland in den vergangenen Jahren aufgeholt hat, steht es im Vergleich zu anderen OECD-Ländern bei der öffentlichen Finanzierung der forschenden Hochschulmedizin an sechster Position: Den Spitzenplatz haben die USA inne, die insgesamt 0,33 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) in medizinische Forschung gaben, während es in Deutschland nur 0,15 Prozent des BIP waren.

Weniger Forschungsgelder der Industrie

Immer noch hoch, aber rückläufig waren Drittmittel aus der Industrie für die Forschung in der Hochschulmedizin. Ihr Anteil an den Drittmitteln sank zwischen 2005 und 2010 von 38 auf 24 Prozent - von knapp 350 Mio. Euro auf 314 Millionen Euro. Ursache sind strukturelle Gründe wie etwa mangelnde Akzeptanz industrieller Kooperationen oder Befürchtungen der Hochschulmediziner, dass Drittmittel zu Lasten der von den Bundesländern bereit gestellten Grundmittel für den Hochschulbetrieb gehen. Die gewerbliche Wirtschaft klagt hingegen darüber, dass Overhead-Kosten bei Forschungsaufträgen vielfach intransparent sind und es daher zu Doppelfinanzierungen bei Grund- und Drittmitteln kommen kann.

Forschungsgelder nicht für Krankenversorgung zweckentfremden

Die Universitätskliniken beklagen eine unzureichende Vergütung ihrer Krankenversorgung. Dadurch besteht die Gefahr, dass Forschungsmittel zur Deckung von Defiziten aus der Krankenversorgung zweckentfremdet werden. Um dies zu vermeiden, empfehlen die IGES-Wissenschaftler, spezifische Vergütungszuschläge für Universitätskliniken – die vielfach geforderten pauschalen Systemzuschläge würden dagegen falsche Anreize setzen.

Forschungsgelder nicht für Krankenversorgung zweckentfremden

Die Universitätskliniken beklagen eine unzureichende Vergütung ihrer Krankenversorgung. Dadurch besteht die Gefahr, dass Forschungsmittel zur Deckung von Defiziten aus der Krankenversorgung zweckentfremdet werden. Um dies zu vermeiden, empfehlen die IGES-Wissenschaftler, spezifische Vergütungszuschläge für Universitätskliniken – die vielfach geforderten pauschalen Systemzuschläge würden dagegen falsche Anreize setzen.