Fachtagung: Patientenorientierung in der Dialyse stärken

Die Wahl eines Dialyseverfahrens erfolgt in Deutschland noch immer zu wenig patientenorientiert. Stattdessen bestimmen häufig strukturelle und personelle Bedingungen, ob und zwischen welchen Dialyseformen Betroffene wählen können. So werden die verschiedenen Methoden der künstlichen Blutwäsche nicht überall angeboten, weil oft Aufklärung und Wissen fehlen. Darauf haben Experten auf einer Fachtagung des IGES Instituts in Berlin hingewiesen.

Berlin, 1. Juli 2014 (IGES Institut - „Wir benötigen endlich eine abgestimmte Steuerung der Dialyseversorgung, damit die Wahl des Dialyseverfahrens nur nach medizinischen Kriterien und Fragen der Lebensqualität der Patienten erfolgt. Doch davon sind wir weit entfernt“, sagt Prof. Reinhard Brunkhorst, Chefarzt am Klinikum Region Hannover. Voraussetzung dafür seien klar definierte Versorgungsziele, eine adäquate Honorierung der einzelnen Dialyseverfahren sowie eine umfassende Ausbildung von Fachärzten und Pflegepersonal.

  Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodaten-Analyse (IfMDA), warnte davor, dass sich eine nicht kostendeckende Vergütung der Dialyse-Sachkosten negativ auf die Qualität der Versorgung auswirkt: „Denn eine kostendeckende Vergütung der Dialyse-Sachkosten ist Voraussetzung dafür, um den hohen Standard der heutigen Dialyse-Versorgung beizubehalten. Ob diese zukünftig umgesetzt wird, hängt allerdings von aktuellen Verhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband ab.“

Willkürliche statt patientenorientierte Auswahl des Dialyseverfahrens

Die zwei Hauptverfahren in der Dialyse sind die künstliche Blutwäsche mittels Maschine (Hämodialyse) oder über das körpereigene Bauchfell (Peritonealdialyse), die vor allem als Heimverfahren zu Hause durchgeführt wird.

„Interessant sind die internationalen Unterschiede beim Einsatz der Verfahren. So ist der Anteil der Peritonealdialyse, obwohl als Mittel der Wahl bzw. mindestens gleichrangig mit der Hämodialyse vorgesehen, mit fünf Prozent in Deutschland sehr gering, in Hongkong mit 85 Prozent sehr hoch. Bei weltweit gleichen medizinischen Herausforderungen der chronischen Niereninsuffizienz belegt dies, dass offenbar andere Kriterien als die Patientenorientierung die Therapie bestimmen“, erläutert Prof. Mark Dominik Alscher, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie.

  Mehr Patientenorientierung und Vielfalt in der Dialyse seien vor allem angesichts der zukünftigen Patientenzahlen wichtig. Einer aktuellen IGES-Studie zufolge wird die Zahl der dialysepflichtigen Menschen um 20 Prozent von derzeit 83.000 auf rund 100.000 Patienten im Jahr 2020 steigen. Zeitgleich sei ein Rückgang der ambulant tätigen Nephrologen um deutschlandweit acht Prozent zu erwarten, berichtet Hans-Holger Bleß, Bereichsleiter Versorgungsforschung am IGES Institut. „Um auch in Zukunft eine bedarfsgerechte Versorgungen zu sichern, sollte unter anderem die Heimdialyse gefördert werden. Diese wenden in Deutschland derzeit nur fünf Prozent der ständig dialysepflichtigen Menschen an.“

Eine zentrale Rolle für die Sicherung der künftigen Versorgung komme zudem Pflegekräften zu, betont Kerstin Gerpheide, Vorstandsvorsitzende des Fachver-bandes nephrologischer Berufsgruppen: „Die nephrologische Fachpflege ist aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung dazu prädestiniert, umfassender und selbstständiger in zukünftige Versorgungsstrukturen einbezogen zu werden.“ Allerdings fehlten dafür noch die entsprechenden Teamstrukturen und Vergütungsvorgaben.

Aufklärung sichert das Selbstbestimmungsrecht der Patienten

Mehrheitlich wiesen die Tagungsteilnehmer auf die Bedeutung der umfassenden und möglichst neutralen Aufklärung von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz vor dem Beginn einer Dialyse hin. „Nur eine sorgfältige und umfassende Aufklärung erreicht, dass Patientinnen und Patienten ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und wohlüberlegt in eine Therapieentscheidung einwilligen können“, betont Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit. Derart einbezogene Patienten seien zufriedener mit ihrer Behandlung, die zudem nicht selten dann auch wirksamer sei, so Widmann-Mauz.