Bürgerversicherung: PKV-Beschäftigungsverluste hängen von Art der Umsetzung ab

Wie stark sich die Einführung einer Bürgerversicherung auf die Beschäftigung bei privaten Versicherungsunternehmen auswirkt, hängt entscheidend von der Gestaltung des Umbaus ab. Es könnten zwischen einem Drittel und drei Viertel der Arbeitsplätze wegfallen, zeigt eine Szenarien-Analyse des IGES Instituts.

Berlin, 04. November 2016 (IGES Institut) - IGES-Wissenschaftler haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung vier Szenarien unter die Lupe genommen. Sie alle führen auf verschiedene Art und Weise das derzeit zweigeteilte System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung (GKV und PKV) zusammen.

Ziel war es, mehr über die Folgen dieses Prozesses für die Beschäftigten über mehrere Jahre hinweg zu erfahren. Diese sind in der wissenschaftlichen und allgemeinen Diskussion bisher wenig beachtet. Rund 68.000 Menschen waren im Jahr 2014 in der PKV beschäftigt, wie aus vorausgegangenen Studien und statistischen Daten hervorgeht.

Mehrere Stellschrauben beeinflussen Beschäftigungseffekte

Die Szenarien verfolgen dabei alle die gleichen Reformziele, jeweils jedoch verschieden stark: Versicherte sollen ihre Krankenversicherung freier wählen können und Krankenversicherer gleichberechtigter am Markt agieren. Die einkommensabhängige Finanzierung wird ausgeweitet. Der Weg in eine Bürgerversicherung soll ferner realistisch, also politisch umsetzbar sein, und so wenig wie möglich Arbeitsplatzverluste bringen.

Alle Szenarien würden jedoch längerfristig PKV-Unternehmen Marktanteile nehmen. Entwickelt wurden sie auf Basis der wissenschaftlichen Literatur und im Dialog mit externen Experten.

Stellschrauben für den Übergang in eine Bürgerversicherung sind unter anderem, ob und wie PKV-Unternehmen weiterhin neue Kunden gewinnen können, wie mit Alterungsrückstellungen umzugehen ist, und ob es einen gemeinsamen Risikostrukturausgleich gibt. Aber auch das künftige Verhalten der Versicherten und die Dauer eines geplanten Systemwechsels entscheiden über die Folgen und wurden daher in die Szenarien-Analyse einbezogen.

Neukundengeschäft lassen oder nicht

Am drastischsten wäre der Arbeitsplatzverlust vor allem im Vertrieb, wenn das Neugeschäft der PKV-Unternehmen abrupt beendet würde, wie in der allgemeinen Diskussion immer wieder vorgeschlagen. Für die ersten drei Jahre ergäben sich gemäß der Szenarien-Analyse dabei Arbeitsplatzverluste von rund 60 Prozent und von rund drei Viertel innerhalb von zehn Jahren.

Geringer wären die Beschäftigungseffekte, wenn das PKV-Neugeschäft unter veränderten Rahmenbedingungen weiterlaufen könnte. Am schwächsten wären sie in einem Übergangsszenario, bei dem ein gemeinsamer Risikostrukturausgleich (RSA) eingeführt würde, PKV- und GKV-Versicherte aber weiterhin nicht zwischen den beiden Systemen wechseln könnten. Ein solcher gemeinsamer RSA würde Prämiensteigerungen zur Folge haben und deshalb das Neukundengeschäft beeinträchtigen. Den Schätzungen zufolge könnte dadurch innerhalb von zehn Jahren jeder dritte Arbeitsplatz wegfallen, vor allem im Vertrieb.

Zwischen diesen beiden Beschäftigungseffekten liegen Szenarien, bei denen es einen gemeinsamen RSA mit erweiterten Wechseloptionen für alle Versicherten oder einer zugunsten der GKV angehobenen Versicherungspflichtgrenze gibt. Bei beiden wäre ein Eintritt in die PKV weiterhin möglich. Während das Szenario mit erweiterten Wechselmöglichkeiten mit komplexen Regelungen verbunden wäre, lässt sich eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze zwar einfach umsetzen, würde jedoch weniger zu einer Integration des Krankenversicherungsmarktes beitragen.