Analysen zur Bedarfsplanung: Stadt-Land-Gefälle bei Fachärzten bleibt

Die Arztpraxen sollen vielerorts wenig bedarfsorientiert verteilt bleiben. Bei mehr als 70 Prozent der bundesweiten Planungsregionen würden sich bei einer stärker bedarfsorientierten Verteilung andere Arztzahlen ergeben als derzeit vorgesehen. Dies betrifft vor allem ländliche Regionen und die neuen Bundesländer.

Berlin, 24. März 2015 (IGES Institut) - So zeigt sich etwa bei Orthopäden, Urologen, HNO- und Nervenärzten, aber auch bei Psychotherapeuten, ein deutliches Versorgungsgefälle zwischen dem Norden und Osten im Vergleich zum Südwesten Deutschlands. Das belegen aktuelle Analysen des IGES Instituts für den „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung.

Reform der Bedarfsplanung bleibt hinter Erwartungen zurück
Diese Resultate bestätigen vorausgegangene Berechnungen zur so genannten Be-darfsplanung von Kinder-, Frauen- und Augenarztsitzen. Für diese Arztgruppen hatten die IGES-Wissenschaftler ebenfalls die mit dem Versorgungsstrukturgesetz überarbei-tete Bedarfsplanung bewertet, die seit 2013 gilt. Danach kommt es zu der unausge-wogenen Verteilung niedergelassener Ärzte, weil die Zahl der Einwohner pro Arzt – die Verhältniszahl – immer noch nach Regionstypen wie Stadt und Land unterschieden wird. Zudem bleiben weitere Faktoren ausgeklammert, die die tatsächlichen medizinischen Bedarfsunterschiede zwischen den Regionen bestimmen: etwa Sterblichkeit, Einkommensniveau, Arbeitslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit.

Keine Verbesserung bei den HNO-Ärzten
Dass die aktuelle Bedarfsplanung der Kassen- und Arztverbände sich zu wenig an den regionalen Bedarfsunterschieden orientiert, zeigt unter den fünf untersuchten Arztgruppen das Beispiel der HNO-Ärzte: Der Anteil der Regionen, in denen die Zahl der HNO-Ärzte nicht den regionalen Bedarfsunterschieden entspricht, verharrt weiter bei 78,4 Prozent.

Etwas verbessert hat sich die Situation bei den Psychotherapeuten: Während aktuell nur knapp 17 Prozent der Psychotherapeuten in ländlichen Regionen praktizieren, sieht die Bedarfsplanung hier einen höheren Anteil von rund 24 Prozent vor. Dennoch sollen gemäß der Planung weiterhin knapp 44 Prozent der Psychotherapeuten in Großstadtzentren tätig sein, obwohl dort nur ein Viertel der Bundesbürger lebt. Derzeit praktiziert dort knapp die Hälfte der Therapeuten.

Würde man statt der Stadt-Land-Unterscheidung eine bundeseinheitliche Verhältniszahl zugrunde legen, ergäbe sich eine wesentlich stärker bedarfsorientierte Verteilung der Therapeuten. Vor allem entspräche dann der Anteil der geplanten Psychotherapeutensitze in Großstädten dem Anteil der dort lebenden Deutschen von einem Viertel. Und würden zudem noch medizinische und sozioökonomische Faktoren berücksichtigt, ließen sich die Abweichungen der Therapeutendichten von einer bedarfsorientierten Verteilung erheblich reduzieren. Um dies zu ermitteln, haben die IGES-Experten eigens einen speziellen Bedarfs-Index entwickelt.

Stadt-Land-Unterscheidung beenden
Der „Faktencheck Gesundheit“ zum Thema Ärztedichte vergleicht die geplante Verteilung der Arztsitze mit regionalen Unterschieden beim Versorgungsbedarf der Bevölkerung. Er untersucht nicht, ob es insgesamt zu viele oder zu wenig Ärzte bzw. Psychotherapeuten gibt. Stattdessen überprüft er, inwieweit sich die regionale Verteilung der Arztsitze an regionalen Bedarfsunterschieden orientiert. Dazu das Fazit der Autoren: „Ein Ende der Stadt-Land-Unterscheidung ist der entscheidende Hebel für einen bedarfsorientierten Zugang zur Versorgung bei Hausärzten oder hausarztnahen Fachärzten.“