Evaluationsbericht zu neu ausgerichteten U-Untersuchungen bei Kindern vorgelegt

Das Kinderuntersuchungsheft, das so genannte Gelbe Heft, hat bei Eltern einen hohen Stellenwert. Nahezu jede Familie hat es bei Früherkennungsuntersuchungen ihrer Kinder dabei, um darin die Untersuchungsergebnisse zu dokumentieren. Und auch die vorgesehenen, seit 2016 neu ausgerichteten Vorsorgeuntersuchungen erreichen überwiegend ihre Ziele. Dennoch gibt es Möglichkeiten, das Vorsorgeangebot aber auch die Gestaltung des Gelben Heftes an einigen Stellen weiterzuentwickeln.

Berlin, 24. Oktober 2023 (IGES Institut) - Das geht aus einer Evaluation des IGES Instituts für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hervor. Die Evaluation war Element der Neufassung der Kinder-Richtlinie durch den G-BA, die in den Jahren 2005 bis 2015 erfolgte und 2016 in Kraft trat. Die Kinder-Richtline regelt Inhalt und Ablauf der Früherkennungsuntersuchungen ab der Geburt bis zum siebten Lebensjahr, kurz U-Untersuchungen. Geändert wurden etwa die Standards für den Hörtest in der U8 und die Sehtests. Auch wurde eine orientierende Beurteilung der Entwicklung des Kindes eingeführt.

Zusätzliche Augenuntersuchung mittels Autorefraktometer prüfen

Die Evaluation zeigt, dass die vorgesehenen Tests zur Untersuchung des Auges bei der großen Mehrzahl der U-Untersuchungen durchgeführt werden. Die Häufigkeit von entdeckten Auffälligkeiten schwankt je nach Test und U-Untersuchung zwischen weniger als einem Prozent und 15 Prozent. Auffällig ist, dass bei Verwendung eines so genannten Autorefraktometers häufiger etwas auffällt. Den Studienautoren zufolge sollte diese Untersuchung genauer unter die Lupe genommen werden, ob und wie sie geeignet wäre, im Rahmen der U-Untersuchungen Sehstörungen früher oder zuverlässiger zu erkennen.

Kein Veränderungsbedarf beim Hörscreening bei der U8-Untersuchung

Das neue Hörscreening mittels sogenannter Tonschwellenaudiometrie erfolgt bei rund 80 Prozent der U8-Untersuchungen. Blieb es aus, lag es meist an mangelnder Mitarbeit der Kinder oder es erfolgte bereits eine HNO-ärztliche Behandlung. Die Tonschwellenaudiometrie brachte bei rund 13 Prozent der Kinder einen auffälligen Befund, wobei es sich zu circa 80 Prozent um einen erstmaligen Befund handelte. Das bedeutet, dass bei jedem zehnten Kind in der U 8-Untersuchung ein Hörproblem erstmals entdeckt wird. Jedes zweite von ihnen wird anschließend in eine weitere Diagnostik oder Behandlung überwiesen. Die Autoren sehen daher für die Untersuchungen des Hörvermögens keinen Veränderungsbedarf.

Bei jeder dritten Untersuchung Hinweise auf Sprach- oder Sprechstörungen

Hinweise auf Sprach- und Sprechstörungen treten vor allem ab der U7 sehr häufig auf, zeigt die Evaluation. Bei mehr als jeder dritten U8-Untersuchung (37 Prozent) wurden derartige Hinweise entdeckt. Bei rund 80 Prozent der Kinder mit Hinweisen auf diese Störungen in der U7 bis U9 besteht erweiterter Beratungsbedarf zum Thema Sprache. Meist beraten die untersuchenden Ärztinnen und Ärzte direkt selbst. Die im Rahmen der Evaluation befragten Kinder- und Jugendärzte wiesen auf die Schwierigkeit hin, zwischen Sprachentwicklungsstörungen mit medizinischem Behandlungsbedarf und Auffälligkeiten des Sprechens und der Sprache zu unterscheiden, die durch nicht-medizinische Maßnahmen adressiert werden könnten. Sie machten beim Thema Sprachentwicklung darauf aufmerksam, dies auch als gesellschafts- und bildungspolitisches Problem zu betrachten.

Sprachprobleme außerhalb der Früherkennungsuntersuchungen angehen

Die IGES-Autoren sehen eine Weiterentwicklung der Kinder-Richtlinie daher nicht als geeigneten Hebel an, die erkannten Probleme bei Diagnostik und Therapie von Sprach- und Sprechstörungen zu beheben. Vielmehr sollte auf Fortbildungen, Qualitätszirkel oder ähnliche Austauschformate für Kinder- und Jugendärzte gesetzt werden. Hilfreich sei es auch, Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher vermehrt über nicht-medizinische Angebote der Sprachförderung zu informieren, die zudem generell ausgebaut werden sollten.

Gelbe Heft für Eltern handlungsorientierter gestalten

Bei fast allen für die Evaluation ausgewerteten U-Untersuchungen lag das Gelbe-Heft vor (98,2 Prozent). Die meisten Eltern nutzen das Gelbe Heft, etwa um sich auf die U-Untersuchung ihres Kindes vorzubereiten, und bewerten die Verständlichkeit und Nützlichkeit überwiegend positiv. Kinder- und Jugendärzte stehen dem Gelben Heft mit mehr Skepsis gegenüber und bevorzugen den Abschnitt „Ergebnisse", um Eintragungen vorzunehmen. Eine Weiterentwicklung für das Gelbe Heft könnte sein, die Elterninformationen „handlungsorientierter“ zu formulieren. Derzeit beschreiben diese Angaben lediglich, wie die U-Untersuchungen ablaufen. Es fehlen jedoch konkrete Hinweise, was Eltern zur Vorbereitung tun können oder wozu sie in der U-Untersuchung Auskunft geben können sollten.

44.000 U-Untersuchungen bundesweit ausgewertet

Die bundesweite Evaluationsstudie „Uheft-eva“ war eine der größten Untersuchungen ihrer Art in der Kinder- und Jugendmedizin und als multizentrische Querschnittserhebung gestaltet. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) fungierte als Kooperationspartner. Insgesamt beteiligten sich 656 Kinder- und Jugendärzte, 5.745 Eltern und fünf Krankenhäuser an den Erhebungen für die Studie, die sich über einen Zeitraum von rund drei Jahren von März 2020 bis Januar 2023 erstreckten. Für die Evaluation wurden rund 44.000 U-Untersuchungen ausgewertet.