Gutachten: mehr Qualitätswettbewerb durch kassenindividuelle Beitragssätze

In der Koalitionsvereinbarung finden sich zum Thema künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung konzeptionelle Überlegungen des IGES Instituts wieder.

Berlin, 05. November 2013 (IGES Institut) - So sind IGES-Experten zuvor in einer Studie zu dem Ergebnis gelangt, dass es auch unter den Bedingungen des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) machbar ist, Krankenkassen Beitragssatzautonomie zu ermöglichen. Zudem ist zu erwarten, dass kassenindividuelle Beitragssätze zu einem wieder stärkeren Preis-Qualitäts-Wettbewerb der Kassen beitragen. Allerdings müsse dabei ein Einkommensausgleich implementiert werden, um die unterschiedlichen Beitragseinnahmen der Kassen auszugleichen, so wie nun auch politisch vorgesehen.
 
Hintergrund des von IGES entwickelten Konzeptes für eine Rückkehr zur Beitragssatzautonomie ist, dass die mit dem Gesundheitsfonds 2009 eingeführten einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge als Wettbewerbsmotor in der GKV unerwünschte Nebenwirkungen zeigten. So haben sie einseitig den Kostendruck auf Krankenkassen erhöht, ohne gleichzeitig auch einen Wettbewerb um bessere Versorgungsqualität zu entfachen. Es sei ein „Zusatzbeitragsvermeidungswettbewerb“ statt ein „Preis-Qualitäts-Wettbewerb“ entstanden, heißt es in der Machbarkeits-Studie „Beitragssatzautonomie der Krankenkassen“, die im Auftrag der DAK entstand.
 
Zudem sei der damit verbundene steuerfinanzierte Sozialausgleich, wenn Versicherte Zusatzbeiträge nicht zahlen können, aufwändig. Die damit verbundenen Bürokratiekosten belaufen sich schon jetzt auf geschätzt rund 173 Millionen Euro. Dabei blieb der Praxistest dieses Ausgleichs jedoch bisher aus, weil Zusatzbeiträge sehr selten vorgekommen sind: In den Jahren 2010 und 2012 waren davon nur 15 Prozent der GKV-Versicherten betroffen. 2012 und 2013 wird voraussichtlich keine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag verlangen.

Risikoselektion verhindern – Durchschnittseinkommen als Maß

In ihrem Konzept gingen die IGES-Wissenschaftler von einem durchschnittlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent auf beitragspflichtige Einnahmen aus. Kommt eine Kasse damit nicht aus, kann sie den eigenen Beitragssatz erhöhen.
 
Um zu verhindern, dass Kassen in einem System einkommensabhängiger Beiträge vorrangig um gutverdienende und gesunde Mitglieder werben, schlagen die IGES-Wissenschaftler ein Ausgleichsverfahren vor: Orientierung gibt der Prozentsatz, um den eine Kasse mit durchschnittlicher Finanzkraft ihren Beitragssatz verändern müsste. Jede Kasse - egal ob mit mehr finanzstärkeren oder -schwächeren Mitgliedern - erhöht wenn nötig genau um diesen Prozentsatz. Die Folgen: Eine finanzkraftschwache Kasse würde somit zunächst zu wenig als zusätzliche Einnahme zur Weiterleitung in den Gesundheitsfonds veranschlagen, eine finanzkraftstarke Kasse zu viel. Das spielt aber keine Rolle, da In beiden Fällen das Konzept einen Ausgleich über den Gesundheitsfonds vorsieht.
 
Fazit der Autoren: „Eine Rückkehr zur Beitragssatzautonomie lässt einen umfassenderen „Preis-Qualitäts-Wettbewerb“ erwarten und stellt eine Option dar, die anstehenden Gestaltungsaufgaben eines langfristig nachhaltigen Finanzierungssystem in der Krankenversicherung zu lösen, ohne dass in der hierfür benötigen Zeit der Beitragswettbewerb zum Erliegen kommt.“

Beitragssatzautonomie der Krankenkassen: eine Machbarkeitsanalyse; [Abschlussbericht] / Autoren: Martin Albrecht/Karsten Neumann. Hrsg.: Herbert Rebscher. [DAK-Gesundheit]

Medhochzwei Verlag, Heidelberg, 2013

ISBN: 978-3-86216-140-9