Ungebremste Beitragsentwicklung: IGES-Projektion zeigt Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge auf fast 50 Prozent bis 2035
Eine Trendumkehr bei der Beitragsentwicklung in der Sozialversicherung ist weiterhin nicht in Sicht. Vielmehr deuten die aktuellen Rahmenbedingungen auf weitere kräftige Beitragsanstiege hin, die ohne Gegenmaßnahmen bei knapp 50 Prozent im Jahr 2035 enden könnten. Auch die von der Bundesregierung im Entwurf des Bundeshaushaltes angedachten Darlehen für die Kranken- und Pflegeversicherung würden nur kurzfristig wirken. Eine dauerhafte, spürbare Dämpfung der Beitragssatzentwicklung könnte hingegen durch mehr Steuermittel und eine einnahmeorientierte Ausgabenkontrolle erreicht werden.
Fortsetzung von Projektionen für die DAK-Gesundheit
Berlin, 26. Juni 2025 (IGES Institut) - Das zeigt eine weitere IGES-Projektion im Auftrag der DAK-Gesundheit, die Berechnungen vom Januar 2025 aktualisiert. Eingeflossen sind neue Pläne für den Bundesetat sowie jüngste Wirtschaftsdaten. Bei der Projektion handelt es sich um szenarienbasierte Berechnungen zur Beitragssatzentwicklung für alle Zweige der Sozialversicherung, also gesetzliche Renten-, Kranken-. Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Demnach könnten die Sozialversicherungsbeiträge bis zum Jahr 2035 von derzeit 42,6 Prozent auf knapp 50 Prozent (49,7 Prozent) steigen. Bei ungünstiger Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist sogar ein Anstieg auf rund 54 Prozent möglich, zeigen die IGES-Experten. Das ist im Vergleich zur Projektion von Anfang 2025 ein noch etwas stärkerer Anstieg.
Deutliche Erhöhungen in allen Zweigen der Sozialversicherung
In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) könnte der Beitragssatz von aktuell 17,5 Prozent bereits 2027 auf 18 Prozent steigen. Bis 2035 zeigt die IGES-Projektion im Basisszenario einen weiteren Anstieg auf 20,0 Prozent. In einem ungünstigen Szenario könnten es sogar 22,6 Prozent werden.
In der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) hat die scheidende Bundesregierung den Beitragssatz zum Jahreswechsel 2025 bereits um 0,2 Prozentpunkte auf durchschnittlich 3,8 Prozent angehoben. Die IGES-Projektion verdeutlicht, dass dies für 2025 jedoch nicht ausgabendeckend sein wird. Auch im Jahr 2026 wird die SPV voraussichtlich ein Defizit aufweisen, je nach Szenario zwischen drei und knapp fünf Milliarden Euro. Infolgedessen könnte der Beitragssatz 2026 erneut um etwa 0,3 Prozentpunkte auf knapp 4,1 Prozent ansteigen. 2029 liegt der ausgabendeckende Beitragssatz der Pflegeversicherung im Basisszenario bereits bei 4,7 Prozent. Die demografische Entwicklung sowie steigende Pflegekosten sind die Haupttreiber dafür.
Der Beitragssatz in der Rentenversicherung kann laut IGES-Projektion bis zum Jahr 2027 konstant bei 18,6 Prozent gehalten werden (Basisszenario). 2028 erfolgt dann jedoch ein kräftiger Anstieg auf 19,8 Prozent, gefolgt von weiteren Erhöhungen auf 20,0 Prozent im Jahr 2029 und 21,2 Prozent bis 2035.
In der Arbeitslosenversicherung steigt der Beitragssatz 2026 zunächst 2,7 Prozent, anschließend bis 2029 auf 3,0 Prozent und bis 2035 auf 3,4 Prozent (Basisszenario).
Bundesdarlehen bringen nur kurzfristige Entlastung
Die Finanzierungsmaßnahmen, die die Bundesregierung aktuell im Rahmen des Gesetzesentwurfs zum Bundeshaushalt als kurzfristige Unterstützung der Finanzsituation von Kranken- und Pflegeversicherung beschlossen hat, wird mittel- bis langfristig ohne Effekt bleiben. So kann ein einmaliges Bundesdarlehen für die GKV in Höhe von jeweils 2,3 Milliarden Euro in den Jahren 2025 und 2026 die Beitragsentwicklung 2026 höchstens dämpfen, zeigen die IGES-Experten. Für die SPV dürfte das Darlehen in dem beschlossenen Umfang von 0,5 Milliarden Euro 2025 und 1,5 Milliarden Euro 2026 nicht ausreichen, um ab 2026 einen erneuten Beitragssatzanstieg in der Pflegeversicherung zu verhindern.
Wirksame Maßnahmen für langfristige Stabilisierung
Auf Vorschlag der DAK-Gesundheit wurden in der IGES-Projektion alternative Stabilisierungsmaßnahmen untersucht. Dazu gehören ein zusätzlicher, dauerhafter Bundeszuschuss an die Krankenkassen in Höhe von zehn Milliarden Euro pro Jahr sowie ab 2027 den Start einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik, bei der die GKV-Ausgaben nur entsprechend der Einnahmen wachsen. Dann könnte der Kassenbeitrag bis 2035 bei 17,2 Prozent gehalten werden.
Wenn zusätzlich der SPV einmalig pandemiebedingte Ausgaben im Umfang von 5,2 Mrd. Euro erstattet würden, könnte der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz bis 2035 auf knapp 47 Prozent begrenzt werden – etwa 3 Prozentpunkte niedriger als ohne Maßnahmen.